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Homepage: Niederschlagsmengen wie in Katalonien
Regionalfachleute diskutieren die Zukunft der brandenburgischen Landschaft – der Wald hat dabei eine besondere Bedeutung
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Nur der Wandel ist beständig. Das wusste schon Immanuel Kant. Frank Sonderhaus vom brandenburgischen Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) zitierte den Philosophen unlängst bei einem Regionalgespräch mit Fachleuten über die Auswirkungen des globalen Klimawandels in Brandenburg. Niemand weiß genau, wie sich die Veränderungen in einzelnen Regionen auswirken, auch wenn etliche Szenarien durchgerechnet worden sind. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass auch auf lokaler Ebene aktiv gehandelt werden muss. „Der Omnipräsenz des Klimawandels müssen wir mit Anpassung begegnen“, sagte Frank Sonderhaus. „Aber auf lokaler Ebene ist das Thema noch nicht angekommen.“
Es gibt zwar eine ganze Palette von Handlungsmöglichkeiten, den prognostizierten Entwicklungen zu begegnen. Wie das am besten geschieht, darüber allerdings streiten Politik, Wissenschaftler und Privatleute, die Land und Boden bewirtschaften. Die Einschätzungen darüber, wie Wald und Land für die Zukunft fit gemacht werden, gehen weit auseinander. Welcher Weg vorgeschlagen wird, entspricht dabei häufig nicht zuletzt den Interessen der jeweiligen Gesprächspartner.
40 Prozent der Landesfläche Brandenburgs ist Wald und der will gestaltet werden. Schon die Wildnis in Brandenburg aber ist ein Streitpunkt, denn sie soll wachsen. Mit acht Prozent ist der Anteil der ehemals militärisch genutzten Flächen in Brandenburg von allen Bundesländern am größten. Auf einem erheblichen Teil dieser Flächen möchte die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg „natürliche Prozesse eigendynamisch und ohne lenkende Eingriffe ablaufen lassen“ – also Wildwuchs gedeihen lassen. Damit folgt sie der Strategie der Bundesregierung, die bis zum Jahr 2020 auf zwei Prozent deutschen Bodens Wildnis sehen möchte. Die bereits gestartete Wildniskampagne der Landesregierung erregt den Unwillen des Grundbesitzerverbandes Brandenburgs.
Dass der Klimawandel dem Wald zusetzt, erkennt auch der Verband. Die selbst ernannten „Forstprofis“ sind jedoch der Ansicht, dass „Trockenheit, Sturmschäden und Schädlingsbefall nur sinnvoll mit einem von Menschenhand betriebenen Waldumbau begegnet werden kann“. Der Verband fürchtet staatliche Eingriffe in die Bewirtschaftung privater Wälder. Wildnis leiste dem Klimawandel eher Vorschub, mutmaßen die Mitglieder.
Wissenschaftlich anerkannt ist, dass nachhaltig bewirtschaftete Wälder mehr Kohlendioxid, das den Treibhauseffekt verursacht, binden als abgewirtschaftete Wälder. Wächst der Baum, so speichert er das Treibhausgas. Um eine Tonne Holz zu produzieren, werden etwa 1,9 Tonnen Kohlendioxid umgewandelt. Ein ausgewachsener Wald ist ein riesiger Kohlendioxidspeicher, absorbiert aber praktisch kein neues Gas. Das gilt auch für die anvisierten Wildnisgebiete.
Deshalb ist der Wald für das Projekt „Futureforest“ eine Gestaltungsaufgabe. Forstfachleute haben ganz Europa bereist und wollen nun aus Gesprächen und Studien unter anderem in Katalonien, Lettland und Wales die besten Strategien für die Entwicklung des Waldes in Brandenburg ableiten. „Den 100 000 Waldbesitzern in Brandenburg muss aber erst einmal ein Wissen um den Wert und die Möglichkeiten der Bewirtschaftung des Waldes vermittelt werden“, konstatiert Georg Wagener-Lohse, der Projektleiter von „Futureforest“. Die Forstfachleute haben festgestellt, dass Brandenburg, das als einziges deutsches Bundesland von kontinentalem Klima geprägt ist, dabei in einigen Regionen ähnliche Niederschlagsmengen wie Katalonien aufweist. Die Probleme der Wasserbewirtschaftung in beiden europäischen Regionen ähnelten sich, es gelte daher gemeinsame Strategien zu entwickeln.
Ungenutzte Wasserreserven sind auch für den Bauernverband ein wichtiges Thema. Die Bauern würden als erste und am stärkten extreme Trockenheiten und übermäßige Niederschläge in Folge des Klimawandels zu spüren bekommen, weiß Verbandsvertreter Udo Folgart. Daher sei es notwendig, „trockenstresstolerante“ Pflanzen auch unter Nutzung der Gentechnik zu züchten, selbst wenn dies gesellschaftlich umstritten sei.
Darüber, wie das wenige Wasser zum Wohle der Landwirtschaft im Brandenburgischen Boden gespeichert werden kann, hat sich auch Karsten Stornowski, der Geschäftsführer des Wasser und Bodenverbandes „Welse“, Gedanken gemacht. Mit einem überdimensionierten Entwässerungssystem, das noch aus DDR-Zeiten stamme, werde dem Boden systematisch zu viel Wasser entzogen. Dies gelte es zu ändern. Stornowski will in Brandenburg mehr Moore schaffen. Wasserwirtschaft müsse einen neuen, ganzheitlichen Ansatz entwickeln: „Weg vom Wasser, hin zum Gewässer“, fordert er. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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