SERIE: Noch einige Überraschungen Stern Stunde
Die Astrophysiker beobachten auch unseren nächsten Stern, die Sonne, sehr genau. Sie nutzen sie zudem als Plasmalaboratorium
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Die Sonne ist ein sehr typischer Stern. Nur ihre Nähe zur Erde macht sie für uns Menschen zu etwas Besonderem. Die Erde liegt gerade im richtigen Abstand zur Sonne, so dass Wasser in flüssiger Form vorkommt. Dies ist die Grundvoraussetzung für alles Leben. Diese besondere Rolle der Sonne im Leben der Menschen verschaffte ihr schon in den frühen Hochkulturen der Ägypter, Babylonier, Chinesen, Griechen und Mayas einen zentralen Platz in Religion und Astronomie. Hier finden sich die ersten sehr genauen Vorhersagen von Sonnenfinsternissen, und auch die ersten Sonnenflecken wurden schon früh mit bloßem Auge beobachtet – lange vor der Entwicklung des Teleskops Anfang des 17. Jahrhunderts.
Auch heute ist die Sonne noch von Interesse für die Wissenschaft. Während fast alle anderen Sterne aufgrund ihrer Entfernung nur als Punkte erscheinen, selbst wenn sie mit den größten Teleskopen beobachtet werden, können Astrophysiker die Sonne bis ins Detail untersuchen. Um einen Größenvergleich zu geben – mehr als 100 Mal müsste die Erde nebeneinander gelegt werden, um den Sonnenäquator abzudecken, und mehr als eine Million Erdkugeln fänden im Sonneninneren Platz. Mit modernen Teleskopen können Sonnenforscher heute Strukturen auf der Sonne auflösen, die in etwa dem Gebiet Brandenburgs entsprechen. Allerdings erreichen schon kleinere Sonnenflecken die Größe der gesamten Erde.
Was die Sonne für Wissenschaftler so interessant macht, ist das Zusammenspiel von starken Magnetfeldern und einem heißen Plasma. Solch starke Magnetfelder treffen wir auf der Erde sonst nur in der Medizin bei Magnetresonanztomographen an. Ein Plasma kommt auf der Erde auch nur sehr selten vor, etwa während eines Blitzes, wenn die Luft kurzzeitig ionisiert wird und starke elektrische Ströme während eines Gewitters von einer Wolke zur Erde fließen. Für Sonnenphysiker ist die Sonne daher auch eine Art Plasmalaboratorium, wo Phänomene im Detail beobachtet werden können.
Um die besten Beobachtungen der Sonne zu erhalten, muss ein Beobachtungsort gefunden werden, der viele Sonnentage und gute Beobachtungsbedingungen vorweist. Aus diesem Grund haben die deutschen Sonnenforscher schon Mitte der 80er Jahre ihre Sonnenteleskope nach Teneriffa verlegt. Das auf 2400 Metern Höhe gelegene Observatorio del Teide befindet sich fast immer über der Wolkendecke und gehört zu den weltbesten Sonnenobservatorien. In Zusammenarbeit mit dem Kiepenheuer-Institut für Sonnenforschung in Freiburg und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau baut das Astrophysikalische Institut Potsdam dort zurzeit das Gregor-Teleskop. Mit einer Öffnung von 1,5 Metern und modernsten Instrumenten wird es im nächsten Jahrzehnt eines der leistungsfähigsten Sonnenteleskope der Welt sein.
Aus der Beobachtung von Sonnenflecken wissen Astronomen schon lange, dass sich die Sonnenaktivität mit einem Zyklus von etwa elf Jahren ändert. Aus der Bewegung der Sonnenflecken lässt sich auch ableiten, dass die Sonne nicht starr wie die Erde, sondern am Äquator schneller als an den Polen rotiert. Diese differentielle Rotation erzeugt im Zusammenspiel mit dem Energietransport des aufsteigenden, heißen Plasmas und dem Magnetfeld eine Art Dynamo, der die Aktivität der Sonne alle 11 Jahre anwachsen und wieder vergehen lässt.
Bei hoher Sonnenaktivität können gewaltige Sonneneruptionen auftreten, die in Sekundenbruchteilen eine enorme Energie freisetzen. Diese Energie kann auch Teilchen, wie Elektronen und Protonen, auf Geschwindigkeiten beschleunigen, die an die Lichtgeschwindigkeit heranreichen. Diese energetischen Teilchen können in das Magnetfeld der Erde eindringen und beispielsweise zu Schäden bei Satelliten führen oder den Funkverkehr stören. Neben diesen nachteiligen Auswirkungen sind diese Sonnenstürme aber auch für die wunderschönen Nordlichter verantwortlich. Die Gesamtheit dieser Wechselwirkungen zwischen Sonne und Erde wird heute unter dem Begriff Weltraumwetter zusammengefasst. Mit dessen Vorhersage beschäftigen sich immer mehr Wissenschaftler, da die aktive Sonne immer weitere Teile unserer technologischen Gesellschaft beeinflusst.
Obwohl wir schon vieles über die Sonne wissen, so hält sie doch noch immer einige Überraschungen für uns bereit. Im Augenblick befinden wir uns im Minimum der Sonnenaktivität. Die ursprünglichen Vorhersagen gingen davon aus, dass wir das Minimum schon Anfang 2008 hätten erreichen sollen. Im Herbst 2008 gab es dann einige kleine Flecken des neuen Zyklus’. Danach wurde es aber wieder außerordentlich ruhig. Sollte diese beinahe fleckenlose Zeit noch länger anhalten, verschöbe sich das Minimum weiter, und dieses Minimum wäre eines der längsten in den letzten hundert Jahren.
Der Autor ist Leiter der „Optischen Sonnenphysik“ am AIP.
Carsten Denker
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