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Hand in Hand. Der Hospiz- und Palliativberatungsdienst begleitet Sterbende in der letzten Phase des Lebens. Der Potsdamer Verein bietet auch Trauerarbeit für die Angehörigen sowie offene Gesprächskreise in einem Café an.

© Norbert Försterling

15 Jahre Hospiz- und Palliativberatungsdienst Potsdam: Noch mal Schach spielen

Vor 15 Jahren wurde der Hospiz- und Palliativberatungsdienst gegründet – Hilfe für die letzte Phase im Leben.

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Manchmal sind es Kleinigkeiten. Einfach nur bei jemandem sitzen, ihn im Rollstuhl auf die Terrasse schieben, seine Zigarette anzünden, die Seiten im Buch umblättern, wenn er das nicht mehr selbst kann. Geschichten hören, die die Angehörigen schon auswendig kennen. Sterbebegleitung ist nichts Weltbewegendes und doch so wichtig. Seit 2001 gibt es dafür in Potsdam den Hospiz- und Palliativberatungsdienst der Hoffbauerstiftung, der die Begleitung von Sterbenden, Angehörigen, Pflegenden und Trauernden organisiert und leistet. Am heutigen Mittwoch wird das 15-jährige Bestehen des Vereins gefeiert.

Heike Borchardt, Sozialarbeiterin, Leiterin des Vereins und eine der fünf Mitarbeiterinnen, war damals eine der Gründerinnen. „Ich war in der Hauskrankenpflege tätig und wünschte mir immer mehr Zeit für Gespräche“, sagt sie. So entstand die Idee, ein Netzwerk mit vornehmlich ehrenamtlichen Mitarbeitern aufzubauen, die sich in der Woche zwei bis drei Stunden Zeit nehmen für einen Kranken, bei dem abzusehen ist, dass er sterben wird. Um Dinge zu tun, für die das Pflegepersonal keine Zeit hat, aber auch um Angehörige zu beraten, wie man die letzten Wochen organisiert. „Ich selbst war auch neugierig auf diese letzte Phase im Leben. Ich wollte wissen, wie das ist. Ob man das eventuell lernen kann, darüber zu sprechen, Menschen zu begleiten.“ Borchardt absolvierte einen Kurs im Hospiz in Lehnin und begann dann, die Ausbildung weiterer Helfer in Potsdam zu organisieren.

Heute sind es gut 100 Ehrenamtliche, von der 20-jährigen Studentin bis zum 75-jährigen Ruheständler und quer durch alle Berufsgruppen, die sich im Verein engagieren. Das Interesse ist groß, viele Kurse sind ausgebucht. Weil auch immer wieder Helfer wegziehen oder ihre Arbeit aus anderen Gründen aufgeben, ist der Nachwuchs sehr wichtig. Meist sind es Frauen, die sich für diese Aufgabe entscheiden. „Vielleicht, weil man meint, hier viel reden zu müssen und das Reden und Kümmern Frauen mehr liegt“, sagt Borchardt. Das sei aber ein Missverständnis. Genauso wichtig ist das Zuhören, die einfache Präsenz. Am Ende fällt das Reden sowieso oft schwer. Borchardt sagt, jeder kann etwas tun. Jeder findet eine Aufgabe. Weil jeder Sterbende andere Bedürfnisse hat. „Wir hatten mal einen, der wollte gern Schach spielen, aber niemand konnte das. Wir haben dann jemanden gefunden, der sich das beibringen lassen wollte. So hat der Sterbende noch etwas weitergeben können, das war schön“, sagt Borchardt. „Helfer und Klient finden oft überraschend einfach zueinander.“

Auch Familienmitglieder und pflegende Angehörige brauchen Hilfe. Immer für den kranken Vater da zu sein, ist schwer. „Das geht ganz schnell an die Nerven“, sagt Borchardt. „Da hilft es, wenn jemand anderes mal stundenweise am Krankenbett sitzt oder die Nachtwache übernimmt.“ Für beide Seiten sei das oft ein Herantasten, ein Ausprobieren, wie viel Nähe man möchte. Betreut werden Menschen zu Hause, in Pflegeheimen, im Krankenhaus oder Hospiz. Denn auch da fehlt dem Pflegepersonal oft Zeit für eine intensivere Betreuung, die über die Pflege hinausgeht. Der Verein berät auch zu der Frage, wo der Patient am besten untergebracht ist – ob im Hospiz oder im Pflegeheim um die Ecke. „Da verfügen wir mittlerweile doch über gute Erfahrungen, was Krankheitsbilder und Verläufe betrifft“, sagt Borchardt. Der Verein bietet zudem Trauerarbeit an, Gruppen für Angehörige, Jugendliche, Kinder oder Eltern, offene Gesprächskreise im Café. Sie organisieren Ausflüge, die einfach nur gut tun, ohne dass man seine Trauer verstecken muss.

Dabei arbeiten professionelle Mitarbeiter mit Ehrenamtlichen Hand in Hand. Künftig ist eine intensivere Zusammenarbeit mit dem Bergmann-Klinikum geplant. „Wer hier liegt und aus Bad Belzig kommt, wird nicht jeden Tag besucht“, sagt Borchardt. Der Krankenhausbesuchsdienst kann das allein nicht leisten.

Jetzt im Herbst nimmt der Bedarf zu. Wer im Verlauf des Jahres einen geliebten Menschen verloren hat, fragt sich jetzt: Wie will man das Weihnachtsfest verbringen? Wie macht das eine Familie, die plötzlich ohne Mutter oder Vater ist? „Wir sind auch dazu da, um über so etwas ganz Praktisches zu reden.“

Während Sterbebegleitung über die Krankenkasse abgerechnet werden kann, muss der Verein die Angebote für Trauernde selbst finanzieren. „Wir sind auf Spenden angewiesen“, sagt Borchardt. Wer selbst aktiv mitmachen will, kann den nächsten Fortbildungskurs besuchen, der im Januar beginnt. Viele wollen zunächst ausprobieren, ob sie das können. Das sei ganz normal. Fast immer findet man Zugang zu dieser Aufgabe. Letztlich nehme jeder auch viel für sich selbst mit. Besondere Erfahrungen und viele zwar kurze, aber intensive Begegnungen. „Viele sagen uns, dass sie es spannend finden, welche Lebensläufe sie hier hören“, sagt Borchardt. Nicht zuletzt sei diese Tätigkeit in gewisser Weise auch eine Vorbereitung auf das eigene Lebensende.

Empfang heute ab 16 Uhr im Tagungshaus Hermannswerder, um 18 Uhr Konzert in der Kirche Hermannswerder. Mehr Info auf www.hospizdienst-potsdam.de

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