Etwas HELLA: Nostalgischer Theater-Schmerz
Hella Dittfeld hat die Wehmut gepackt – und das ist selten
Stand:
Es sei vorausgeschickt: Nostalgische Anwandlungen sind mir fremd. Meistens. Zum Beispiel liebe ich unser neues schönes Theater und mir ist auch das Rot nicht zu Rot und das Schwarz nicht zu Schwarz. Ich habe mich daran gewöhnt, dass es die Besucher, die aus der Schiffbauergasse kommen, mit dem A... empfängt. Schließlich ist die Schauseite zum Wasser hin geradezu perfekt gelungen. Und die Akustik soll dieser Perfektion im Äußeren ja auch noch nacheifern.
Als ich jedoch hörte, dass das alte Theaterhaus in der Zimmerstraße nun verkauft und damit endgültig als Spielstätte verloren ist, hat sie mich doch gepackt – die Nostalgie. Was haben wir Besucher damals geflucht über die Spielstätte, die nicht mehr als eine ausgebaute Kneipe mit plüschig aufgepepptem Vorraum war. Wie hat uns dort das Schwarz an den Wänden geärgert, weil man sich wie in einem Sarg vorkam. Und was haben wir genau da für aufregende Aufführungen erlebt mit einem Ensemble aus hervorragenden Darstellern bis in die Nebenrollen hinein. Das Potsdamer Theater war für viele Akteure das Sprungbrett ins gelobte Berliner Theaterland oder vor die Kameras der DEFA. So mancher blieb Potsdam trotzdem treu, auch wenn aus dem Sternchen ein Star geworden war.
Das Hans Otto Theater in der Zimmerstraße war aber auch mehr als nur ein Kunsttempel. Es war ein Pfahl im Fleische der Partei- und Regierungspolitik. Es wurden Stücke gespielt, für die man sich schnell Karten besorgte, weil man nie wusste, wie lange sie (noch) auf dem Spielplan standen. Da löckte ein Jürgen Groß gegen den Stachel und stellte mit seinen angriffslustigen Dialogen sogar manches Kabarett in den Schatten. Heiner Müllers Wolokolamsker Chaussee aufzuführen, glich immer einem Drahtseilakt. Auch solche Begegnungen wie die mit dem polnischen Schriftsteller Tadeusz Roszewicz werden im Gedächtnis bleiben, gerade weil er eigentlich nichts sagte und auf seine Stücke verwies. Bescheidene Schlitzohrigkeit? Nach der Wende wurde „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ mit Angelika Domröse noch ein Highlight in den Räumen des alten Theaters. Wie soll da nicht Wehmut aufkommen?!
Aber Schluss jetzt. Hatte ich nicht behauptet, ich neige nicht zur Nostalgie? Also straff der Zukunft zugewandt, und dem neuen Theater natürlich auch.
An dieser Stelle schreibt alle zwei Wochen Hella Dittfeld über Dinge, die sie erfreuten oder ärgerten und hofft, dass dadurch ihr geliebtes Potsdam etwas heller wird. Man darf aber auch ganz anderer Meinung sein.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: