Landeshauptstadt: Nougat in Stickstoff getaucht
Bei Steffen Schwarz räumen Salz und Mehl den Platz für Stickstoff und Cellulose
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Lukas schnauft durch die Nase wie ein wütender Bulle. „Pusten, kräftig durch die Nase pusten“, ruft Steffen Schwarz, Chefkoch des Restaurants im Hotel am Jägertor, ihm zu. Lukas Krüger steht in der Küche und versucht den Anweisungen zu folgen. Dampf steigt aus seiner Nase. „Ja toll, so muss das aussehen“, ruft Steffen Schwarz. Der Dampf, der aus der Nase schwebt, stammt von dem schockgefrorenen Nougatschaum, den Lukas bei seinem Molekularkochkurs gerade im Mund zerplatzen lässt. Diesen Schaum hat der Molekularkoch kurz zuvor in minus 196 Grad kalten Stickstoff getaucht. Durch die Wärme im Mund verdunstet der Stickstoff, Dampf entsteht und der Geschmack entfaltet sich.
Diese kleine Show ist nur ein Teil dessen, was mittels dieser Art zu kochen – dem molekularen Kochen – möglich ist. „Molekular, diese Bezeichnung erweckt noch viel Angst und Abneigung in den Menschen, was aber gar nicht nötig ist, schließlich gefährdet es weder die Gesundheit, noch schadet es der Umwelt“, sagt Steffen Schwarz.
Doch was genau hat es damit auf sich? Die Anfänge der molekularen Gastronomie gehen auf den französischen Physiker und Hobbykoch Herv This zurück, erzählt Gabriele Randel, Produktmanagerin von Biozoon, einem Hersteller der so genannten, auf natürlicher Basis beruhenden Texturgeber, also der Mittelchen, die man für das molekulare Kochen benötigt. Bereits seit 1990 beschäftige er sich mit den Biochemischen und physikalisch- chemischen Prozessen bei der Zubereitung von Speisen, sagt sie. Die Vorgänge beim Kochen zu verstehen, zu erklären und bewusst anzuwenden, sei sein Anliegen gewesen, so Gabriele Randel. Neben den heutigen bekannten Vertretern der molekularen Küche, wie dem spanischen Koch Ferran Adrià und dem englischen Chefkoch Heston Blumenthal, gibt es immer mehr Spitzenköche, welche die neuen Erkenntnisse für sich nutzen und anwenden, unter ihnen Steffen Schwarz.
Dass man mittels bestimmter Texturgeber, wie Gelierstoffen aus Algenextrakten, nun auch Gelee erhitzen könne, ohne dass es zerfalle, sei eine „wunderbare Erkenntnis der molekularen Küche“, sagt er. Auch für Veganer sei diese Kochkunst vorteilhaft, so könne Orangenpudding ohne Milch oder Eier hergestellt werden und Hackbällchen ohne Hack. Dazu werden Pilze angeschwenkt und der Texturgeber Cellulose dazugegeben. Daraus entsteht eine feste Masse, erklärt Steffen Schwarz weiter.
In seinem Kochkurs, den er regelmäßig im Hotel am Jägertor anbietet, kann man aber noch viel mehr erfahren. Steffen Schwarz vermischt Melonenlikör mit einem Algengeliermittel und kippt alles in eine Calciumsalzlösung. Was daraus entsteht nennt er eine kleine „Bobbel“, eine Kugel, die an eine Badekugel erinnert und im Mund zerplatzt und explosionsartig ihr Aroma freigibt. „Durch das Geliermittel entsteht eine Membran um den noch flüssigen Likör.“ Anschließend verteilt er Schock gefrorene Minzblätter, die sich wie Kartoffelchips knabbern lassen.
„Mit der molekularen Küche kann die bisherige Küche sinnvoll fortgeführt und ergänzt werden“, sagt Steffen Schwarz, der eigentlich der klassischen, französischen Küche zugetan ist. Er hoffe, dass sie sich bald etablieren werde, denn wenn man die Vorgänge des Kochens erst einmal verstanden und analysiert habe, seien der Phantasie keine Grenzen mehr gesetzt und dem Gast könne ein Geschmackserlebnis geboten werden.
Sabine Blumrich
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