
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Nun fährt sie wieder
Zwölf elektrische Tramtriebwagen lieferte die Firma Lindner im Jahr 1907 an Potsdam. Eine dieser ersten Potsdamer Elektrischen wurde nun rekonstruiert
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Potsdams erste Elektrische fährt wieder. Mit Oberbürgermeister Jann Jakobs und Brandenburgs Altministerpräsident Manfred Stolpe (beide SPD) an Bord, setzte sich der 1907 in Ammendorf bei Halle gebaute „Lindner Motorwagen Nr. 9“ am Montagmittag am Platz der Einheit in Bewegung. In der ersten Kurve gab das vom Verein „Historische Straßenbahn Potsdam e.V.“ rekonstruierte Gefährt einen lauten, quietschenden Ton von sich: „Was für ein hervorragendes Geräusch!“, rief daraufhin ein Straßenbahn-Enthusiast aus, der sich das Ereignis nicht entgehen lassen wollte. Ziel dieser ersten Fahrt war die Glienicker Brücke.
Der Vereinsvorsitzende Ivo Köhler steuerte das 9650 Kilogramm schwere Gefährt, Florian Gäbel fungierte als Schaffner. Beide haben sich dafür blaue Uniformen schneidern lassen. Zwei Motoren mit je 38 Kilowatt Leistung treiben die Uraltstraßenbahn an. „Ein Motor für jede Achse“, ließ Oberbürgermeister Jakobs, gelernter Flugzeugbauer von Beruf, technischen Sachverstand durchblicken. In seiner Rede vor Fahrtantritt erklärte der Rathauschef, dass das neunte Fahrzeug der ersten Liefercharge des Jahres 1907 – darum steht auch eine große 9 auf dem Fahrzeuglack – sogar über eine Betriebsgenehmigung des Eisenbahnbundesamtes verfügt. Das, so Jakobs, sei nicht einmal bei allen modernen, ausgelieferten Schienenfahrzeugen der Fall, die schon seit geraumer Zeit in den Hallen der Nutzer auf ihre Zulassung warteten. Beispiele nannte Jakobs nicht; seine Bemerkung, Potsdams erste Elektrische könne auch auf Bundesbahn-Gleisen fahren, könnte die Richtung weisen: Im April wurde vermeldet, dass noch viele neue Züge bei der Deutschen Bahn auf ihre Zulassung warten.
Der Verein Historische Straßenbahn Potsdam e.V. wurde am 1. Dezember 2005 gegründet, erklärte Petra Prestel vom Vorstand. Basis der damals auf 440 000 Euro geschätzten Wiederaufbaukosten war eine alte Transportlore, deren Fahrgestell einst zu einem Triebwagen gehörte. Es war der Wagen Nr. 9; zwölf dieser kleinen, dreifenstrigen Triebwagen waren im Mai 1907 aus Ammendorf nach Potsdam geliefert worden. Vorhanden waren auch noch vier Originalräder, erklärt Vereinsmitglied Jörg Zennig, stellvertretender Betriebsleiter Straßenbahnen beim Verkehrsbetrieb ViP. Viele Originalteile seien in Mariazell in Österreich wieder aufgetaucht. Der Chef der dortigen Museumstramway habe sie in den 1970iger- Jahren in Potsdam gekauft. Zwischenzeitlich musste sich der Verein mit dem Vorwurf auseinandersetzen, er verwende nicht die richtigen Originalteile. „Aber wir haben sogar die Original-Fahrzeugakte“, betont Zennig. Die Streitigkeit endete vor Gericht mit einem Vergleich. Heidi Gerber von der Stiftung Denkmalschutz in Potsdam, die das Projekt mit 80 000 Euro sponsorte, ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden: „Technische Denkmale begeistern die Leute.“ Guido Berg
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