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Links und rechts der Langen Brücke: Nur 140

Henri Kramer über den geplanten Umzug des Asylbewerberheims am Lerchensteig in einen Wohnblock am Schlaatz

Auch ein Klärwerk hat dafür gesorgt, dass in Potsdam lebende Flüchtlinge im Sommer voraussichtlich an den Schlaatz ziehen. Denn der üble Geruch am jetzigen Asylbewerberheim Lerchensteig und dessen schlechte Anbindung an den Nahverkehr haben in den vergangenen Jahren immer mehr Kritik provoziert. Das Lerchensteig-Ende wurde schließlich im vergangenen Sommer mit dem neuen Integrationskonzept beschlossen. Dennoch bewarb sich die Arbeiterwohlfahrt (AWO) bei der Ausschreibung zur Flüchtlingsbetreuung noch einmal mit ihrem Lerchensteig, statt einen alternativen Ort für die Flüchtlinge und letztlich auch die Angestellten zu suchen. Die Diakonie hat diese Chance erkannt und einen Wohnblock im Schlaatz sanieren lassen und angemietet – am Magnus-Zeller-Platz.

Dort wird es nun spannender, als die Diskussion um ein Toleranzedikt im vergangenen Jahr je hätte sein können. Toleranz wird praktisch. Obwohl zahlenmäßig mit dem Umzug eigentlich nicht viel passiert: In der Tat sind es nur 140 Einwohner mehr, die in einem Stadtteil mit knapp 9000 Einwohnern leben werden, der Ausländeranteil dort wird weiter bei zehn Prozent liegen. Die Politik sieht den Plan wohlwollend. Denn längst gibt es im Umgang mit Ausländern in Potsdam den Grundsatz, bestehende Gesetze äußerst liberal auszulegen. Die neue Qualität des Umzug liegt anderswo. Denn es ist immer ein Experiment, ein Haus voller Kulturen in einem neuen Stadtteil anzusiedeln. Nicht jedem der künftigen Nachbarn wird diese Nachricht gefallen. Diese Feststellung ist kein Vorurteil: Schon 2002 haben Bornstedter Bürger mit Unterschriftenlisten protestiert, als in der Kirschallee ein Flüchtlingsheim entstehen sollte. Nicht ausgeschlossen, dass sich auch Bürger am Schlaatz so organisieren und im Superwahljahr noch eine Partei solche Ängste und Vorurteile benutzt. Die Stadt versucht, solch ein Szenario zumindest unwahrscheinlich werden zu lassen. Die Ankündigung, 65 000 Euro extra für Integrationsprojekte vor Ort auszugeben, ist ein wichtiges Zeichen, dass die Anwohner nicht allein gelassen werden. Zudem wurde in dem Stadtteil ein schon recht breites Netz aus Bürgertreffs geschaffen, wodurch es bereit zu gelingen scheint, viele bereits am Schlaatz lebende Migranten besser als noch vor Jahren zu integrieren. Das alles werden die Verwaltung und die Diakonie bei den anstehenden Bürgerversammlungen überzeugend vermitteln müssen – und Ideen entwickeln, wie Neu-Schlaatzer und bisherige Anwohner voneinander profitieren können. Vorstellbar sind etwa gemeinsame Arbeits-Projekte für einen schöneren Stadtteil. Dies muss die Maxime sein: Vielfalt kann immer auch Bereicherung bedeuten.

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