Landeshauptstadt: Nur durch Idealismus und Selbstausbeutung
Freie Theater in Potsdam sehen „vorbildliche Landesförderung“ in Brandenburg nicht ganz so euphorisch
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Von stabiler Förderung, einem hohen Stellenwert und einer Entwicklung des Landes zum Eldorado für die freie Theaterszene war jüngst auf einer Pressekonferenz mit der Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) die Rede. Das Land Brandenburg, trotz Abstriche, als kleines Paradies für die freie Theaterszene? Die PNN haben bei einigen Verantwortlichen der mehr als zehn freien Theater in Potsdam nach einer Einschätzung gefragt. Fazit: Ganz so positiv wie das Kulturministerium sehen sie die Lage der freien Theater in Brandenburg nicht.
„Wie das brandenburgische Kulturministerium die freien Theater unterstützt, das ist beispielhaft“, sagt Jens-Uwe Sprengel, künstlerischer Leiter im T-Werk. Da werde sehr viel getan. Doch seien die Mittel nicht ausreichend. Das T-Werk befinde sich in der besonderen Lage, eine öffentliche Grundfinanzierung für die Spielstätte in der Schiffbauergasse zu erhalten. „Doch für die künstlerische Arbeit reicht das Geld nicht“, so Sprengel. Hier müsse ständig Geld über Drittmittel eingeworben werden. „Diese aufwendige Arbeit wird jetzt noch dadurch erschwert, dass wir aufgrund unserer finanziellen Situation Festangestellte in unserer Verwaltung auf Honorarstellen herunter stufen mussten.“ Wäre da nicht der Idealismus und die „massive Selbstausbeutung“, die hochwertigen Theateraufführungen und Festivals würden nicht stattfinden.
Für Martin Elz vom „theater marameo potsdam e.V.“ ist dieser Idealismus der Hauptgrund, dass sich in Brandenburg eine breite Szene von freien Theatern entwickelt hat. „Wir sind erst seit drei Jahren in Potsdam aktiv“, sagt Elz. Seit dieser Zeit habe man jedes Jahr Förderanträge gestellt. „Geld haben wir aber nie bekommen.“ Zwar haben Elz und seine Mitstreiter auch für 2008 wieder einen Antrag gestellt, doch bleibt er aufgrund seiner Erfahrungen skeptisch. Da „marameo“ auch einen Sitz in Magdeburg hat, helfen Fördergelder aus Sachsen-Anhalt. Doch dieses Geld reicht nicht. „Ohne Nebenjobs könnten wir das nicht leisten“, so Elz.
Steffen Findeisen vom Theater Nadi hat sich bewusst für die freie Szene entscheiden, weil diese seinen künstlerischen Vorstellungen entsprach. Obwohl er, wie viele seiner Kollegen, auf die Unterstützung durch das Arbeitsamt angewiesen ist, sieht er die Entwicklung in Brandenburg positiv. „Ich kann mittlerweile bis 2009 planen“, sagt Findeisen. Neben Engagements bei anderen Theatergruppen versucht Findeisen jedes Jahr ein eigenes Stück auf die Bühne zu bringen. „Hier bin ich auf die Unterstützung anderer Theater aus der Stadt angewiesen.“ Das T-Werk stelle ihm beispielsweise günstig Proberäume zur Verfügung. „Im Gegenzug helfe ich auch mal beim Kartenverkauf oder stehe hinter dem Tresen.“ Diese gegenseitige Unterstützung sei sehr wichtig, da dadurch erst Möglichkeiten geschaffen werden, überhaupt künstlerisch arbeiten zu können. Wer heute im freien Theater tätig sei, müsse vor allem ein Alleskönner sein. „Von der Regie, dem Schauspiel, Kartenverkauf und Vermarktung reicht das“, sagt Findeisen.
Für Jens-Uwe Sprengel vom T-Werk liegt in diesem Alles-Können eine Gefahr. „Das kann nur zu einer weiteren Selbstausbeutung führen“, so Sprengel. Doch schon jetzt bewege man sich hier im Grenzbereich des Machbaren. „Auch wenn es ausverschämt klingen mag, aber mit einer Verdopplung der derzeitigen Förderung von rund einer Millionen Euro könnte so viel verbessert werden.“ Zwei Millionen Euro seien im Gesamtbudget des brandenburgischen Kulturministeriums eine überschaubare Summe. Der freien Szene im Land würde damit aber sehr stark geholfen werden. Dirk Becker
Dirk Becker
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