zum Hauptinhalt

POSITION: Nur eine funktionierende Demokratie ist lebendig

Die neue Kommunalverfassung ist weder Verfassungsbruch noch schadet sie kleinen Fraktionen Von Christian Maaß

Stand:

Die Aussagen von Jürgen Stelter zur neuen Kommunalverfassung (PNN vom 19. Februar 2008) bedürfen an vielen Stellen einer Korrektur. Die neue Kommunalverfassung schafft die Demokratie nicht ab. Vielmehr wird der Versuch unternommen, die Arbeitsfähigkeit der Stadtverordnetenversammlung zu verbessern. Dazu dient auch die Neuregelung der Mindestgröße von Fraktionen. Das Recht der Fraktionsbildung wird dabei an eine gewisse Größe geknüpft. Die Masse unserer Kommunen ist von dieser Neuerung nicht betroffen, sie gilt erst ab einer Zahl von 25 000 Einwohnern. Ziel der Veränderung ist ein Mehr an Handlungsfähigkeit, eine Zersplitterung soll vermieden und die Effektivität des Gremiums und seiner Mitglieder erhöht werden. Eine lebendige Demokratie ist eine funktionierende und leistungsfähige Demokratie. Wer sich genauer mit dem konkreten Ablauf der Stadtverordnetenversammlungen in Potsdam beschäftigt, wird das Verhältnis von Sitzungsintensität und -dauer und real getroffener Entscheidungen durchaus kritisch sehen. Ein Blick in andere kreisfreie Städte und Landkreise lässt schnell eine Zersplitterung der Kräfte erkennen. Es geht nicht um die bloße Sicherung formaler Rechte, es geht um die für die Zukunft unserer Kommunen notwendige Entscheidungsfähigkeit. Der Minderheitenschutz bleibt bei allem gewahrt. So gibt es weiterhin keinerlei Beschränkungen für die Fraktionsbildung. Jeder kann sich mit jedem zusammenschließen. Insofern ist die gegenwärtige Praxis, wie vom Bürgerbündnis, FDP und dem Stadtverordneten Wolfhard Kirsch bisher geübt, weiterhin möglich. Es wird durch das Zusammengehen von Gruppierungen immer mehr als drei Fraktionen geben. Dafür sorgt schon die aufgrund der gestiegenen Einwohnerzahl gewachsene Anzahl der Mitglieder der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Zudem werden die Rechte des einzelnen Abgeordneten nicht berührt. So kann weiterhin eine Gruppe von Abgeordneten Punkte auf die Tagesordnung setzen. Jeder Abgeordnete kann an allen Ausschüssen, auch an nichtöffentlichen Sitzungen teilnehmen. Die Möglichkeiten zur Kontrolle der Verwaltung, zum Stellen von Fragen und zur Akteneinsicht sind unberührt. Die Ausschüsse sind bis auf Haupt- und Jugendhilfeausschuss beratend, entschieden wird in der gesamten Vertretung.

Insofern erscheint der geäußerte Vorwurf des Verfassungsbruchs mehr als übertrieben. Der Hinweis auf das Urteil zur Fünf-Prozent-Hürde in Schleswig-Holstein kann nicht verfangen, eine solche Hürde gab und gibt es in Brandenburg nicht. Da Brandenburg nicht das erste Bundesland ist, in dem eine gestufte Regelung eingeführt wird, gibt es im kommunalrechtlichen Schrifttum bereits eine Auseinandersetzung mit eindeutigen Aussagen zum Thema Fraktionsstärke. Eine Abwägung der Ziele Arbeitsfähigkeit und Minderheitenschutz kommt zum Ergebnis, dass eine Mindeststärke von zehn Prozent des Gesamtgremiums für die Fraktionsbildung mit dem Minderheitenschutz als vereinbar gilt. Hierzu gibt es Urteile. Ansonsten würde beispielsweise die Regelung in Nordrhein-Westfalen gegen die Verfassung verstoßen. Schließlich hätte der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Normenkontrollverfahren zur Mindeststärke einer Kreistagsfraktion zu einem anderen Ergebnis kommen müssen, als dass eine größenbezogene Staffelung rechtens sei. Im Leitsatz wird ausgeführt, dass die Erhöhungsmöglichkeit „weder dem Gleichheitssatz noch dem Übermaßverbot noch dem Demokratieprinzip oder dem Minderheitenschutz“ widerspricht.

Die neue Kommunalverfassung ist, wie manches in unserer Demokratie, ein Kompromiss. Es bleibt abzuwarten, zu welchen Ergebnissen der hoffentlich pragmatische Umgang mit ihr führen wird. Die Notwendigkeit zur Bündelung der Kräfte kann neue Möglichkeiten für Potsdam eröffnen. Jetzt Demokratieabbau und angeblichen Verfassungsbruch anzuprangern, ist schick im Vorwahlkampf aber unangemessen in der Sache. Wer sich für seine Kommune engagieren will, kann dies auch unter den neuen Regelungen tun. Vielleicht sogar etwas effizienter.

Der Autor ist Geschäftsführer der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) in Brandenburg e.V.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })