
© M. Thomas
Landeshauptstadt: Nur für Schieber und Absteiger
Auf Gehwegen ist das Fahrradfahren verboten – eine mahnende Aktion in der Babelsberger Innenstadt
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Babelsberg - Viele springen schon von selbst vom Fahrrad, sobald sie die Polizisten sehen. Sie wissen, dass sie etwas Falsches tun. Radfahren auf Gehwegen ist nur Kindern bis zehn Jahren erlaubt. Alle anderen müssen Radwege oder die Straße benutzen. Mitglieder des Behindertenbeirates und Babelsberger Revierpolizisten wiesen am Montag in Babelsberg falsch fahrende Radfahrer mahnend auf diese Tatsache hin. Die blinde Stefanie Seidel erläuterte ertappten Radlern, in welche Schwierigkeiten sie durch ruppige Radler kommen kann.
Geht sie aus dem Haus, kennt sie ihren Weg genau, jeder Schritt ist abgezählt. So weiß die blinde Frau jederzeit, wo sie sich befindet. Ertönt jedoch plötzlich ein „Vorsicht!“ oder wird sie sogar regelrecht vom Bürgersteig „zur Seite geklingelt“, erschreckt sie sich, berichtet sie, tritt intuitiv zur Seite, dreht sich unkontrolliert um – und weiß plötzlich nicht mehr, an welcher Stelle ihres Weges sie sich befindet. „Ich bin deswegen schon einmal eine Stunde herumgeirrt, fünf Minuten von meinem Hauseingang entfernt“, erklärt Stefanie Seidel. Neuerdings begleitet sie ein ausgebildeter Blindenhund, was ihre Situation erheblich verbessert.
Hintergrund der Gehweg-Aktion ist der stark zunehmende Radverkehr in Potsdam. Immer häufiger werden Verkehrsunfälle auch von Fahrradfahrern verschuldet. Wurden im Jahr 2010 noch 130 Unfälle durch Radler verursacht, waren es 2011 schon 172 – eine Steigerung von über 32 Prozent.
Viele der ertappten Radler an der Ecke Karl-Liebknecht-Straße/Schornsteinfegergasse oder vor dem Kino Thalia hören sich geduldig die Ermahnungen an. Ein junger Mann nutzt die Situation aus, als Obermeister Jonny Höhne ihm gerade den Rücken zudreht und sucht mit schnellem Pedalentritt das Weite. Wegen fünf Euro Bußgeld werde er keinen Warnschuss abgeben, sagt Höhne. Die Verhältnismäßigkeit müsse gewahrt bleiben, es handele sich um eine Ordnungswidrigkeit und kein Kapitalverbrechen. Sein Kollege, Obermeister Hans-Thomas Christ, reagiert es bei einer ähnlichen Situation vor dem Thalia-Kino ebenfalls gelassen: „Da muss ich auch verlieren können.“ Früher hätten sie ja schon mal den Schlagstock in die Speichen gesteckt, um einen Delinquenten zum Anhalten zu zwingen. Aber das sei „nicht zielführend“, schließlich wollten sie informieren und überzeugen.
Petra Hildebrand vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) ist durchaus für die Aktion: „Man muss sich an die Regeln halten, nur dann geht das Miteinander.“ Ganz im Gegensatz zur allgemeinen Ansicht setze sich der ADFC gar nicht mehr nur für originäre Radwege ein. Vielmehr seien Radfahrer auf Straßen am sichersten unterwegs, am besten auf solchen, auf denen ein Radweg abmarkiert ist. Der Vorteil: Radler würden so von den Autofahrern besser gesehen.
Schwierig ist die Situation für Eltern, die ihre radfahrenden Kindern begleiten. So sehr es naheliegend erscheint, den Radler-Nachwuchs auf dem Gehweg zu folgen – es ist in jedem Fall für über Zehnjährige untersagt. Ein Vater, der seinen beiden kleinen Töchtern vor dem Kino Thalia folgt, hat für das Stopp-Gebot der Polizisten, das ihm gilt, nicht aber seinen unbekümmert weiterfahrenden Kindern, kein Verständnis. „Das ist nicht Ihr Ernst. Wenn etwas passiert, wende ich mich an Sie“, ruft er ungehalten, wechselt auf die Fahrbahn und stürzt seinen Kindern hinterher. Polizeihauptmeister Jörg Neidel lässt es geschehen, erklärt aber, dass der Vater seine Sprösslinge besser im Blick hätte, wenn er sie parallel nebenher begleitet, statt ihnen auf dem Gehweg hinterherzufahren.
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