
© Manfred Thomas
Von Michael Meyer: Nur Ronald Rauhe will sprinten
Potsdams Kanu-Asse liebäugeln nur wenig mit den neu ins Olympia-Programm aufgenommenen 200 Metern
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Marek Prawda ist ein Charmeur. Polens Botschafter in Deutschland hatte am Freitagabend auf der 10. Kanu-Party des Fördervereins für den KC Potsdam im Seminaris Seehotel schnell die heimischen Paddler auf seiner Seite, als er erklärte, er freue sich, in der Hauptstadt der Kanuten zu sein. Prawda, mit Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck befreundet und deshalb des öfteren in Potsdam zu Gast, saß noch nie in einem Wettkampf- Kajak. „Ich würde aber gern mal auf der Havel paddeln“, sagte der 53-jährige den PNN. Was den KC-Fördervereins-Chef Jürgen Eschert zu einer spontanen Einladung bewog: „Ich nehme Sie in meinem neuen Boot mit.“
Escherts neues Boot ist ein schnittiger Canadier. Den erhielt Potsdams erster Olympiasieger, der 1964 in Tokio Gold im C1 gewonnen hatte, am Freitagabend von den KC-Assen überreicht. Als Dank für sein bisheriges Geschick, ihnen die entsprechende materielle Unterstützung für Weltklasse-Leistungen zu organisieren. Zugleich auch als Ansporn, damit auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2012 in London nicht nachzulassen. In zwei Jahren werden die Kanuten auf dem Dorney Lake bei Windsor zum Teil ganz andere Rennen als 2008 in Peking bestreiten. Das Internationale Olympische Komitee strich nämlich im vergangenen Sommer alle 500-Meter-Konkurrenzen der Männer aus dem Olympia-Programm. Statt dessen werden die Frauen zusätzlich den Einer über 200 Meter paddeln, wird es bei den Männern Medaillen über die 200 statt 500 Meter im Einer- und Zweierkajak sowie Einer-Canadier geben. Das erfordert ein radikales Umdenken auch des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV). Schon die diesjährigen Weltmeisterschaften in Posen (Poznan) sollen zeigen, wie die Spezialisierung der Männer für die 200 und 1000 Meter bis London erfolgreich gelingen kann.
Potsdams Olympia- und WM-Paddler der vergangenen beiden Jahre haben sich im wesentlichen bereits festgelegt. „Ich konzentriere mich jetzt klar auf die 200 Meter“, erklärte am Freitagabend Ronald Rauhe, der 2009 im kanadischen Dartmouth Einerkajak-Weltmeister über 200 und 500 Meter geworden war. „Wenn man im Sprint etwas erreichen will, muss man konsequent sein, und mein Ziel ist es, im Einer auf den 200 Metern bis 2012 zu dominieren.“ Sein langjähriger Erfolgspartner Tim Wieskötter, mit dem er im K2 über 500 Meter Olympiasieger 2004 und sechsmal Weltmeister wurde, will sich dagegen auf den langen Kanten konzentrieren. „Ich bin eher der 1000-Meter-Typ“, meinte der 30-Jährige, der nach einer verkorksten Saison 2009 in diesem Jahr „wieder vorn mitfahren will, egal, in welchem Boot“.
Lutz Altepost, Schlagmann des 1000- Meter-K4, der 2007 Weltmeister und im Jahr darauf Olympia-Dritter wurde, sieht seine größten Stärken zwar auf den 500 Metern, „aber im Vierer braucht man einen 500-Meter-Mann für die Schnellkraft, und ich will wieder in den 1000-Meter-Vierer“, erzählte der 28-jährige Familienvater. Auch Torsten Eckbrett, nach Olympia-Bronze 2008 im vergangenen Jahr nur WM-Ersatzmann, möchte über 1000 Meter wieder angreifen. „Ich will zur WM und dort einen möglichst guten Einsatz haben“, so der Kajakfahrer.
Die lange Strecke favorisieren auch die beiden derzeit besten Potsdamer Canadier-Spezialisten. „Ich bin eher der Ausdauertyp, werde die 200 Meter aber auch ausprobieren und sehen, was geht“, erklärte Sebastian Brendel, der letztjährige 1000-Meter-WM-Dritte. Und Ronald Verch, 2009 WM-Zweiter mit dem 1000- Meter-Vierer, meinte: „Wenn ich in London dabei sein will, muss ich in den Zweier über 1000 Meter kommen.“ Gemeinsam mit dem Neubrandenburger Erik Rebstock, mit dem er 2008 auf der langen Strecke U23-Europameister im C2 wurde, will er dieses Unternehmen angehen.
Bei Potsdams Top-Kanutinnen ist die neue Sprint-Disziplin nur für Fanny Fischer ein Thema – eventuell. „Viele Nationen werden jetzt auf die 200 Meter setzen, da werden internationale Erfolge schwer. Ich bleibe lieber auf den 500 Metern und könnte mir den Sprint nur bei einem Doppelstart vorstellen“, erzählte Fischer. Youngster Franziska Weber, letztjährige K1-Vizeweltmeisterin über 1000 Meter, kürzlich als Deutschlands „Sportschülerin des Jahres“ geehrt und am Freitagabend von ihrem Sponsor Günther Rhauda mit einem VW Polo bedacht, erklärte: „Über 200 Meter geht bei mir gar nichts.“ Und auch die vierfache Olympiasiegerin Katrin Wagner-Augustin legt sich schon fest. „Die 200 Meter kommen für mich nicht in Frage. Auf denen können sich die Jüngeren tummeln“, so die 32-Jährige.
Um bei den diesjährigen Weltmeisterschaften wieder ganz vorn dabei zu sein, flogen die meisten KCP-Asse gestern in Trainingslager des DKV. Brendel und Verch mit den Canadiern nach Indian Harbour Beach in Florida, Wagner-Augustin und Weber mit den Kajak-Frauen nach Stuart ebenfalls in Florida, Altepost, Wieskötter und Eckbrett mit den Kajak-Männern ins portugiesische Portimao. Im August wollen die Potsdamer bei den Weltmeisterschaften auf dem Malta- See in Posen um die Titel paddeln. Und Marek Prawda will, das erklärte der Botschafter am Freitag, dort dann endlich auch mal Kanu-Rennen live verfolgen.
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