Landeshauptstadt: Oase für die Seele
Die Nikolaikirche lud bedürftige Familien zum „Gedeckten Tisch“ ein: Rund 2500 Potsdamer nutzten das Hilfsangebot
Stand:
Eine Rose für jeden: Egal, wer am Samstag die Nikolaikirche betrat, jeder wurde herzlich begrüßt. Ein Mann schaut etwas überrascht, nimmt dann aber die Rose, die ihn von den Gemeindemitarbeitern gereicht wird, lächelnd entgegen. Nur einige Schritte weiter herrscht fröhliches Treiben: Die hell erleuchtete Nikolaikirche, die drei Tage lang zum „Gedeckten Tisch“ einlud, ist angefüllt mit Menschen, die sich unterhalten, Kuchen essen oder dem Gospelchor lauschen.
Die Gäste sind Potsdamer, die es sonst nicht einfach haben: Das Hilfsprojekt, das die St. Nikolai-Kirchengemeinde, das Diakonische Werk und der Kirchenkreis Potsdam bereits zum zweiten Mal auf die Beine stellten, wendet sich an Bedürftige und sozial Schwache. Drei Tage lang konnten sie sich in der Kirche mit Essen und Kleidung versorgen, Beratung und seelischen Beistand erfahren. Einen Euro kostet das die Besucher, allerdings auf freiwilliger Basis, betont Organisatorin Ariane Zibell vom Gemeindekirchenrat. Rund 2500 Menschen haben den „Gedeckten Tisch“ diesmal besucht, 500 mehr als letztes Jahr.
Unter ihnen auch Karin Weber: „Keiner schaut einen hier schräg an, jeder ist freundlich“, sagt die 56-jährige Potsdamerin. Sie wiegt ein zwei Wochen altes Baby in ihren Armen, das Kind ihres Sohnes. Unter dem Tisch kraxelt ihr dreijähriger Enkel herum, denn der Kleine braucht Sachen, vor allem Hosen. Im Untergeschoss des Gebäudes gibt es dafür eine große Kleiderbörse: Insgesamt 150 Kartons mit Kleidung sind im Vorfeld gespendet worden, sagt Pfarrerin Susanne Weichenhan: „Das ist alles aus der Gemeinde gekommen, wir mussten nicht mal einen öffentlichen Aufruf starten“, berichtet sie.
Gleich neben der Kleiderbörse sind die Waschräume, wo Friseurmeisterin Manuela Epperlein vom „Barbier im Krongut“ zusammen mit drei Lehrlingen kostenlos Haare schneidet. Insgesamt 143 Haarschnitte sind es in drei Tagen. Manche Kunden hätten sich später mit Kaffee und Blumen bei der Friseurmeisterin bedankt, erzählt Pfarrerin Weichenhan.
Unterstützung kam auch von anderen Potsdamer Institutionen: Die Malteser boten einen Gesundheitscheck an, die Arbeiterwohlfahrt Rechtsberatung, das Oberlinhaus stellte einen Fahrservice zur Verfügung. Die zehn Meter lange Büfett-Tafel war unter anderem mit 1200 Suppenportionen von Fleischerei Riek, 60 Kilogramm Obst von Werder Frucht und Hunderten selbstgebackenen Kuchen gedeckt. Auch einige Prominente haben gespendet, Günther Jauch steuerte 1000 Euro bei, Ministerpräsident Matthias Platzeck 500 Euro.
Neu war in diesem Jahr der Samstag speziell für die Jüngeren: Rund 40 Kinder saßen auf den Stufen des Altars und kreischten vergnügt über die Kunststücke von Clown Elli Pirelli. Außerdem konnten Familien pro Kind zwei Gutscheine für Kleidung und Schuhe erhalten. Zwei Stunden lang habe er gerade solche Gutscheine ausgegeben und sich mit den Familien unterhalten, sagt einer der 120 ehrenamtlichen Helfer, Dirk Scheinemann vom Gemeindekirchenrat: „Das Herz ist einem übervoll danach.“
Die Stimmung ist gemütlich und entspannt, ein untersetzter Herr vor dem Altar kann sich angesichts der Bossa-Nova-Rhythmen des Mückenheimer Trios ein paar Tanzschritte nicht verkneifen: „Da kann ich nicht stillsitzen“, sagt der gebürtige Argentinier Pascal B. Der 60-jährige Frührentner war schon letztes Jahr dabei und findet es diesmal genauso schön: „Es ist eine Oase für die Seele! Einmal im Jahr wird man richtig verwöhnt und fühlt sich geborgen.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: