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Landeshauptstadt: Oberst in signalroter Uniform

Neues DLRG-Mitglied: Kommandeur des Bundeswehr Verbindungskommandos 84 in Potsdam-Eiche/40 Badetote zu erwarten

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Neues DLRG-Mitglied: Kommandeur des Bundeswehr Verbindungskommandos 84 in Potsdam-Eiche/40 Badetote zu erwarten Von Detlef Gottschling „Wir dürfen uns nicht erst in Notlagen zusammenfinden, sondern werden deshalb bereits jetzt die Kooperation besiegeln.“ Das sagte gestern der Neu-Potsdamer und Kommandeur des Bundeswehr Verbindungskommandos 84 in Potsdam-Eiche, Oberst Axel G. Loewe. Kurz danach stieg er in die orange Uniform der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) und unternahm als frisch gebackenes Mitglied des brandenburgischen Landesverbandes gleich eine kurze Erkundungsfahrt auf dem Templiner See. Sein Kommando, so erklärte Loewe, müsse in Katastropheneinsätzen ohnehin zwischen Prignitz und Elbe-Elster-Kreis sowie in den beiden kreisfreien Städten Potsdam und Brandenburg helfen. Da habe es nahe gelegen, sich auch persönlich einzusetzen und die Rettungskluft anzuziehen. Darüber hinaus werde er selbst für die ehrenamtlichen Engel auf Mitgliedersuche gehen. „Ich weiß, dass der Landesverband Brandenburg unterbesetzt ist und werde innerhalb der Bundeswehr sowie bei unseren Partnern für die DLRG werben“, so Oberst Loewe. Die jährliche Führungsübung mit Offizieren und Unteroffizieren werde er dafür nutzen. Auch einen festen Termin gäbe es bereits: Am 26. November treffe er mit den Landräten der Kreise zusammen und werde auch die Probleme der DLRG auf den Tisch packen. „Innenminister Jörg Schönbohm hat mir dazu schon seine Unterstützung zugesagt“, so Loewe. Der Handlungsbedarf sei jetzt und nicht erst dann, wenn die nächste Flut wieder Ortschaften unter Wasser setzt. Trauriger Rekord Dem konnte DLRG-Landesverbandspräsident Prof. Harold Wagner nur beipflichten: „Wir steuern einen traurigen Rekord an – wir werden wohl im Supersommer 2003 die Zahl von 40 Wassertoten im Land überschreiten.“ Dies sei äußerst kritisch zu betrachten; hinten und vorne fehle es an Geld und an Leuten. Nicht genug, dass die DLRGler alles ehrenamtlich und in ihrer Freizeit täten. Nun drohe sogar der Zustand, dass man die Betriebskosten noch selbst übernehmen müsse. Deshalb mache man jetzt drei ganz klare Forderungen auf: Die Hallennutzung für die Ausbildung der Wasserretter in den Schwimmhallen müssten die Kommunen kostenlos zur Verfügung stellen; seitens des Landes erwarte man eine Gesetzesnovelle, die auch dies steuern helfe; und die Städte, Kreise und das Land müssten sich an den Betriebskosten beteiligen. Hier gäbe es viel Unsicherheit. Insgesamt 5000 Wasseretter seien im Land im Einsatz – die Hälfte bei der Wasserwacht, die andere bei der DLRG. „Und bei unseren Wasserflächen bräuchten wir – verglichen mit anderen Bundesländern – mindestens das Doppelte“, so Wagner. Viele Gewässer, viele Tote – die Faustregel treffe leider zu. Brandenburg rangiere somit immer an der unrühmlichen Spitze der Nicht-Geretteten. Sechs neue Boote Kaum bekannt sei, dass gerade in den Krisensituationen wie beim Hochwasser an Oder und Elbe auch die DLRG mit an erster Front agiere – da werde es dann als selbstverständlich empfunden. Man stelle auch Weltmeister im Rettungsschwimmen, habe eine gut funktionierende Jugendarbeit und freue sich deshalb um so mehr über die Unterstützung durch die Bundeswehr. Weitere freudige Momente gäbe es: Erst gestern habe man ein neues Einsatzboot taufen können – die „Allianz 4“. Der Bootsname verrate den Spender von insgesamt sechs solchen Spezialfahrzeugen, die gerade in Hochwassergebieten unersetzlich seien. „Das Hochwasserboot kann in extrem flachen Gewässern eingesetzt werden, hat unten Gleitkufen und zusätzlich Rollen“, erklärte Michael Sprichardt sein neues „Schätzchen“. Der Veterinärmedizinische Assistent, der im „richtigen Leben“ im Bundeslandwirtschaftsministerium arbeitet, steht dort per Handy oder Pieper immer auf Abruf. Die Boote liegen in Werder und in Teltow in Hallen und können sofort zum Einsatzort transportiert werden. Für normale Rettungseinsätze allerdings seien sie ungeeignet. „Zu langsam – nur 25 PS-Motoren.“ Diese reichen zwar für den Personentransport in Krisengebieten aus, Ertrinkende würde man aber nicht schnell genug erreichen. Die Vorzüge des flachen Geräts lägen aber auf der Hand: Hydranten, Absperrgitter, Straßenschilder hätten bei vergangenen Fluteinsätzen sowohl Schlauchboote aufgeschlitzt als auch normale Rettungsboote arg beschädigt – das werde mit den neuen Fahrzeugen minimiert. „Die Allianz-Boote lassen sich über Schlick ziehen, auf dem Eis bewegen und durch die Rollen am Kiel sogar mit einem Auto auf der Straße ziehen.“ Den ersten Einsatz habe die „4“ bereits am Sonntag zur Taufe hinter sich gebracht: Im Hafen von Wittenberge, wo auch die Namensgebung vorgenommen wurde, musste einem Epileptiker geholfen werden. An den Menschenmassen vorbei, die den Blitzeinsatz für einen Programmteil des Fest hielten, waren die DLRG-Leute am schnellsten auf dem Wasserweg bei dem Hilfebedürftigen, der so schnell versorgt werden konnte. „Das Boot ist ein Ergebnis der Zusammenarbeit von DLRG, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk und wird nun so in Serie hergestellt.“ Früher habe man selbst alles möglich zusammengebastelt – das sei kein Vergleich zu den Neuen. Wasser-Raketen Unterwegs auf dem Templiner See erzählen die Rettungsschwimmer aus ihrer Praxis: „Immer ein bis zwei Wochen wird der Dienstplan vorausschauend erstellt – dann wissen wir, wann wir dran sind.“ Gerade in diesem Sommer mit der extrem langen Badeperiode, die noch immer bei Wassertemperaturen von um die 25 Grad anhalte, sei dies gar nicht anders möglich. Das erläutert Christoph Fiala und weist darauf hin, dass zwar alle die Rettungsschwimmerausbildung hätten, aber nicht jeder die schnellen Rettungsboote fahren dürfe. Dafür reiche nicht einmal der Motorbootschein – auf dessen entsprechende Ausbildung setze die für die „Ganzschnellen“ noch auf. So genannte Waterjets treiben die Boote, für die im Ernstfall 60 Kilometer pro Stunde auf dem Wasser kein Problem sind. Der Vorzug der Antriebe liege auf der Hand: Das Wasser wird unter dem Boot in eine Art Düse gesaugt und hinten mit großem Druck wieder ausgespuckt. Keine offene Antriebswelle, kein rotierender Propeller, die die Schwimmer und zu Rettenden verletzen könnten. Dazu käme der hohe Wirkungsgrad der Wasserdüsen, die natürlich auch entsprechend Sprit bräuchten. Deshalb gebe man auch nur in Notfällen richtig Gas. Fiala kippt den Hebel zur Demonstration nur kurz nach vorn – es reicht. Zwei der „Raketen“ agieren von Potsdam aus, zwei weitere seien in Glindow stationiert. Der Aktionsradius reiche bis nach Ketzin. Einziger Wermutstropfen: In Potsdam selbst sei man eigentlich nicht im Einsatz. Die Landeshauptstadt leiste keinen Beitrag für die DLRG. „Natürlich lassen wir hier niemanden ertrinken, wenn der Notfall eintritt“, so Bootsführer Christoph Fiala. Sei es doch klar in den Aufgaben der DLRG definiert: Die Schaffung und Förderung aller Einrichtungen und Maßnahmen, die der Bekämpfung des Ertrinkungstodes dienen. „Schön wäre es, wenn die Stadt Potsdam uns dabei wenigstens durch die kostenfreie Nutzung der Schwimmhallen unterstützen würde.“ Mit Oberst Loewe, der in Babelsberg wohnt, habe man nun aber ein neues prominentes Mitglied. Von der ausstrahlenden Wirkung auch in der Landeshauptstadt sei man überzeugt, so Landeschef Harold Wagner. Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), Landesverband Brandenburg, Am Luftschiffhafen 2, Haus 33, 14471 Potsdam. Tel. (0331) 96 28 47, Fax (0331) 951 08 67. Internet: www.brandenburg.dlrg.de E-Mail: lv@bb.dlrg.de

Detlef Gottschling

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