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Sport: „Oberste Priorität behält das DFB-Pokalfinale“ Turbine Potsdams Trainer Bernd Schröder blickt nach der erfolgreichsten Saison schon auf die neue

Ihre Spielerinnen flogen zur Europameisterschaft nach England oder in den Urlaub – wohin düst Turbines Trainer in der Bundesliga-Pause, Herr Schröder? Nach der Saison ist vor der Saison.

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Ihre Spielerinnen flogen zur Europameisterschaft nach England oder in den Urlaub – wohin düst Turbines Trainer in der Bundesliga-Pause, Herr Schröder? Nach der Saison ist vor der Saison. Deshalb bleiben mir nicht mehr als zehn Tage ab Mitte Juni, um mich mal irgendwo in Deutschland in der Familie zurückzulehnen. Wir müssen für das nächste Spieljahr ja noch viel vorbereiten. Welche Aufgaben haben Sie derzeit am dringendsten zu lösen? Wir wollen noch mindestens eine oder zwei Klasse-Spielerinnen für die neue Saison gewinnen, um den hohen Ansprüchen für die nächste Saison zu genügen. Haben Sie trotzdem schon die Muße gehabt, die letzten Erfolge zu genießen und einzuordnen? Wir bekamen und bekommen ständig Anrufe, Faxe, E-Mails und Briefe aus allen Regionen mit Glückwünschen für unsere beiden Pokalerfolge – es brauchte schon Zeit,dies alles zu ordnen, und auch Kraft, es emotional zu verarbeiten. Es war schließlich die bisher erfolgreichste Saison für unseren Verein, obwohl es im Verlauf des Jahres nicht immer so zu erwarten war. Helfen die Erfolge, Turbines Saisonetat von über 500 000 Euro für die nächste Saison zu sichern? Unsere erfolgreichen Auftritte haben sehr viel Resonanz auch bei unseren Sponsoren gefunden. Wir arbeiten derzeit noch an der konreten Ausarbeitung der neuen Verträge mit ihnen möglichst über einen längeren Zeitraum, um bis Anfang August alles in Sack und Tüten zu haben. Geld wird benötigt, um sich personell zu verstärken. Beispielsweise für Sonja Fuss, die zurück nach Brauweiler geht. Wie realistisch ist denn der Wunsch nach einer anderen Nationalspielerin auf dieser Position? Für diese Position kämen von den deutschen Nationalspielerinnen nur Sandra Minnert und Sarah Günther in Betracht. Günther hätten wir gern geholt, die hat uns der FFC Frankfurt aber weggeschnappt, und Minnert bleibt in Bad Neuenahr. Ansonsten gibt es auf der linken Abwehrseite derzeit keine deutsche Spielerin, die das Format hätte uns weiterzuhelfen. Vielleicht schöpft ja aber auch Peggy Kuznik aus dem Weggang von Fuss neue Motivation, sich wieder in die Elf zu spielen. Fuss geht nach Brauweiler, Viola Odebrecht für einige Zeit in die USA – wer verlässt noch Ihren Verein? Franziska Liepack hat sich offiziell bei uns abgemeldet, bei Annelie Brendel steht ein klärendes Gespräch noch aus. Sie hatte im letzten Dreivierteljahr physisch nicht das Potenzial, um in einer Spitzenmannschaft wie der unseren zu bestehen. Entweder sie verbessert ihre körperliche Verfassung, oder wir lassen es sein. Absteiger Wolfsburg hat schon Interesse an ihr bekundet, aber wir wollen uns noch einmal mit ihr zusammensetzen. Werden Sie sich die Europameisterschafts-Endrunde ab Sonntag in England auch unter dem Aspekt anschauen, wer eventuell den FFC Turbine verstärken könnte? Natürlich werde ich die Spiele aufmerksam verfolgen. Vielleicht bietet sich ja noch kurzfristig jemand für den Abwehr- oder den defensiven Mittelfeldbereich an. Auf Einladung von DFB-Präsident Theo Zwanziger werde ich außerdem am 12. Juni gemeinsam mit unserem Vereinspräsidenten Günter Baaske nach England fliegen, um mir dort Deutschlands Spiel gegen Frankreich anzusehen. Wie konkret ist mittlerweile der Stand der Verhandlungen mit Norwegens Nationalspielerin Ingvild Stensland von Kolbotn IF? Sie wird jetzt erst einmal die Europameisterschaft spielen, anschließend werden wir versuchen, sie für ein paar Tage nach Potsdam zu holen, damit sie sich die hiesigen Gegebenheiten einmal ansehen kann. Stensland hat Interesse an Potsdam, hat aber noch einen Vertrag mit Kolbotn, und wenn wir sie aus dem vorzeitig herausholen wollen, kostet das Geld. Klappt dieser Weg nicht, wird sie uns vor Januar 2006 nicht zur Verfügung stehen. Soll in der kommenden Saison erneut ein Double her? Unser neues Mitglied Theo Zwanziger meint ja jetzt, eigentlich müssten wir 2006 sogar das Triple schaffen, also alle drei möglichen Titel und Pokale holen. Bei aller Euphorie – wir stehen vor einer sehr sehr harten Saison, und da wir auch wieder international spielen, wird die Belastung erneut sehr groß sein. Oberste Priorität besitzt erneut das Erreichen des DFB-Pokalfinals, weil man nie eine so große Bühne in der Öffentlichkeit hat wie im Berliner Olympiastadion. Priorität zwei ist der Deutsche Meistertitel, weil die Sicherheit, den Europacup erfolgreich zu verteidigen, auf wackligen Füßen steht. In der Bundesliga hat man mehr Spiele und damit mehr Möglichkeiten, erneut in den UEFA-Cup zu kommen. Außerdem ist der Meistertitel eine Aufgabe, der man sich immer wieder stellen muss. Stichwort UEFA-Cup: Wird sich Turbine erneut um die Austragung einer Vorrunde in Potsdam bemühen? Nein. Wir haben das unseren Fans im letzten Jahr geboten und das Turnier hat uns auch sehr gut getan. Aber wir sind nicht Eigentümer des Karl-Liebknecht- Stadions und können nicht so tun, als sei so ein Vorrundenturnier ohne Probleme zu spielen. Das erfordert einen sehr hohen Aufwand an Organisation, den wir nicht jedes Jahr stemmen können. Bei der nun beginnenden EM stellt der FFC Turbine mit acht Spielerinnen die stärkste Fraktion in der Nationalmannschaft. Das entspricht sowohl der derzeitigen Stellung unserer Mannschaft im deutschen Frauenfußball als auch einem in den letzten Monaten fachlich fundamentierten sehr guten Verhältnis zwischen den Nationaltrainerinnen und uns. Wie lange wird Turbine auf dem jetzigen hohen Niveau den deutschen und europäischen Frauenfußball mitbestimmen können? Entscheidend ist, wie schnell unsere jungen Spielerinnen, die wir in diesem Jahr heranführen müssen, und ein oder zwei erfahrene Spielerinnen in die Mannschaft integriert werden können. Wenn das klappt, was wir an Neuem und Ergänzendem vorhaben, werden wir den jetzigen Schwung für ein, zwei Jahre ausnutzen können. Aber es wird schwer, denn wir sind jetzt die Gejagten. Turbines Fußball lebt auch vom guten Ruf des Potsdamer Modells der Nachwuchs- Suche und -Förderung. Dieser Nachwuchs will und muss aber auch die Perspektive Bundesliga sehen, oder? Dem soll unsere Veränderung der Trainerstruktur hier am Leistungsstützpunkt Potsdam dienen. Wir wollen, falls am Sonntag der angestrebte Aufstieg der dritten Mannschaft in die Regionalliga klappt, dort das komplette B-Mädchen- Team spielen lassen. Dann hätten wir eine Ausgangsposition wie kein anderer Verein: Erste Bundesliga, zweite Bundesliga und Regionalliga böten klare Strukturen und den jungen Spielerinnen die Möglichkeit, sich Schritt für Schritt bis nach ganz oben und in die Nationalmannschaft zu entwickeln. Das Interview führte Michael Meyer

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