Landeshauptstadt: ?Oberstes Credo: Die Jugendlichen ernst nehmen?
Potsdamer Kinder- und Jugendtelefon bekam Spende ?ber 2000 Euro f?r sein Beratungsangebot
Stand:
Innenstadt - Bis zu 50 Mal klingelt das Kinder- und Jugendtelefon Potsdam in einer vierst?ndigen Schicht. ?Daraus entstehen etwa 15 Beratungsgespr?che, weil viele auch wieder auflegen oder einfach rumbl?deln?, erz?hlt Thomas Schenk, der seit fast f?nf Jahren als ehrenamtlicher Telefonseelsorger im Potsdamer B?ro des bundesweiten Vereins ?Nummer gegen Kummer? arbeitet. Seinen richtigen Namen kann er nicht nennen, weil seine Anonymit?t gewahrt bleiben muss.
Die Stiftung Deutsche Kinder-, Jugend- und Elterntelefone hat dem Potsdamer Telefonb?ro gestern einen Scheck ?ber 2000 Euro ?berreicht. ?Damit wollen wir helfen, das Beratungsangebot dauerhaft zu sichern und auszubauen?, sagte die Vorstandsvorsitzende Karin Kohler. Obwohl es deutschlandweit 95 Beratungsstellen gebe und im vergangenen Jahr rund 2500 Gespr?che gef?hrt wurden, sei der Bedarf noch nicht gedeckt. Die Leiterin des Potsdamer B?ros, Claudia Gratz, best?tigt: ?Viele Anrufer kommen gar nicht erst durch?. Zwar sei das B?ro immer montags bis samstags von 15 bis 19 Uhr besetzt. ?Da wir aber nur einen Raum haben, ist auch immer nur ein Berater von den insgesamt 30 ehrenamtlichen Mitarbeitern da.? Nun wolle man aber zumindest die Beratungszeiten in den Vormittag und den Abend hinein ausdehnen, so Gratz.
Die meisten Anrufer sind M?dchen im Alter von 11 bis 17 Jahren, erz?hlt Thomas Schenk. ?Bei ihnen geht es sehr oft um Beziehungsprobleme mit dem Freund oder Konflikte in der Clique.? Manchmal seien die Probleme aber auch schwerwiegender, zum Beispiel wenn sie nach Misshandlungen oder Vergewaltigungen anrufen. Oberstes Credo bei dieser Arbeit sei es, sagt der 32-J?hrige, die Jugendlichen ernst zu nehmen. ?Wenn mir eine 14-J?hrige erz?hlt, sie sei schwanger und ich merke w?hrend des Gespr?chs, dass das nicht stimmt, darf ich sie nicht etwa auflaufen lassen.? Es k?nne sein, dass sie die ausgedachte Geschichte nur als Umweg zu ihrem eigentlichen Problem benutzt, erkl?rt Schenk. H?ufig w?rden die jugendlichen Anruferinnen ihre Probleme in einem ?Was-w?re-wenn-Szenario? umschreiben oder vorgeben, es sei das Problem einer Freundin. Bei Jungs sei es oft so, dass sie mit dem immer noch fest verankerten M?nnlichkeitsideal hadern, weil es ihnen sichtbare Gef?hle als Schw?che auslege. Einige Jugendliche haben Angst davor schwul und damit unm?nnlich zu sein. Die meisten von ihnen glauben, nicht mit ihren Eltern dar?ber sprechen zu k?nnen, so Schenk. Thematische Tabus gibt es f?r ihn bei einem ernsthaften Gespr?ch nicht. Er habe einem M?dchen auch schon mal erkl?rt, wie Oralverkehr funktioniert.
All diese Themen erfordern viel Fingerspitzengef?hl. Ein Teil der erhaltenen Spende soll deshalb in die Ausbildung der Ehrenamtlichen flie?en, sagt Claudia Gratz. Unter den Mitarbeitern sind Studenten, Hausfrauen, Rentner und alle Berufszweige. Thomas Schenk zum Beispiel ist Lehrer f?r Musik und Deutsch. ?Ich engagiere mich hier in meiner Freizeit, weil es mir pers?nlich gut geht und ich etwas davon weiter geben m?chte?, sagt er.
Bevor ein Berater das erste Mal den H?rer abnehmen darf, um Jugendlichen einen Rat zu geben, muss er an einer insgesamt sechsmonatigen psychologischen Schulung teilnehmen. Au?erdem gibt es f?r die Telefonseelsorger einmal im Monat ein so genanntes Supervision-Treffen, bei dem die Kollegen noch einmal besonders schwierige Gespr?che durchgehen. ?Damit einem die Schicksale nicht zu nahe gehen, muss man eine positive Arbeitsroutine entwickeln ? zum Selbstschutz?, sagt Schenk. Dann sei die Arbeit mit den Jugendlichen nicht bedr?ckend, sondern sehr bereichernd. ?Nirgendwo ist man so sehr am Puls der Zeit wie hier?, sagt Schenk. Der manchmal freche, aber ehrliche Jugendjargon sei f?r ihn so eine Art Jungbrunnen.
Juliane Schoenherr
Die bundesweite ?Nummer gegen Kummer?: (0800) 111 03 33.
Juliane Schoenherr
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: