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Streitobjekt: Das Denkmal für den unbekannten Deserteur am Platz der Einheit  an manchen Stellen hat es bereits Risse (Bild r.u.). Dennoch findet Ludwig Baumann (Bild r.o.) von der Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz, dass das Denkmal im Winter frei sichtbar sein muss und nicht mit Holzbrettern gegen Kälte geschützt werden darf.

© A. Klaer

Von Henri Kramer: Offensive gegen eingehausten „Deserteur“

Debatte um Denkmal auf dem Platz der Einheit geht weiter: Opferverbände und Friedensinitiativen sehen Fachhochschule als Partner

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Innenstadt - Die Debatte, ob das Denkmal für den unbekannten Deserteur auf dem Platz der Einheit im Winter mittels eines Holzverschlags vor Eis und Frost geschützt werden sollte, hält unvermindert an. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz bekräftigten gestern drei Opferverbände und Friedensinitiativen, dass sie eine Einhausung der Marmorskulptur in jeder Form ablehnen. Zugleich schlugen sie vor, den Studiengang Restaurierung der Potsdamer Fachhochschule in die Diskussion einzubeziehen, wie der „Deserteur“ wetterfester werden kann.

Ludwig Baumann, 89 Jahre alt und Chef der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz sagte, der „Deserteur“ habe eine politische Aussage gegen Krieg in der Welt – schon deshalb dürfe es, wie auch andere Denkmale dieser Art, nicht eingehaust werden. Baumann, der im Zweiten Weltkrieg als Soldat der Wehrmacht desertierte und zum Tode verurteilt wurde, sprach sich vielmehr für einen Sockel für den „Deserteur“ aus, um den Denkmal mehr Standfestigkeit zu verleihen.

Mit Blick auf das Schicksal von Baumann, der erst 2002 eine Rehabilitation erreichte, äußerte sich Vera Dost von der brandenburgischen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten (VVN): Angesichts des unbefriedigenden Umgangs der Bundesrepublik mit den Wehrmachtsdeserteuren habe der Staat „die Pflicht“, mögliche Wetterschäden an dem Deserteursdenkmal zu reparieren  – statt es zu verhüllen. Das sei man „diesen Leuten schuldig“, sagte Dost – die auch daran erinnerte, dass Deserteure, obwohl inzwischen gesetzlich rehabilitiert, von Deutschland keine Entschädigungsansprüche erhalten hätten.

Eine spezielle Oberflächenbeschichtung für den Marmor des Denkmals schlug Jörg Kwapis vor, Chef des Vereins zur Förderung antimilitaristischer Tradition. Dazu sollten die Restaurateure der Fachhochschule einbezogen werden. Ein „Wegschließen“ des „Deserteurs“ komme wegen seiner symbolischen Bedeutung nicht in Frage: „Skulpturen lassen sich einhausen, Denkmäler nicht.“ Lutz Boede von der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär sagte, ohnehin komme es bei dem Denkmal nicht auf kleinere Witterungsschäden an: Wichtig sei die aus dem Inneren der Marmormasse ausgeschnittene, fehlende Person, die den „Deserteur“ symbolisiere.

Über den Deserteur wird seit fast einem Jahr debattiert. Einen damaligen Prüfauftrag der Stadtverordneten, ob eine Einhausung für das Denkmal nötig ist, hat die Stadtverwaltung „wegen Erkrankung der zuständigen Mitarbeiterin“ im Kulturamt bis jetzt nicht umsetzen können. Zugleich wurde das Denkmal Ende November vom Grünflächenamt der Stadt mit einem Bretterverschlag eingepackt, um es gegen den Winter und vor weiterer Verwitterung zu schützen. Nach Protesten ist es nun wieder ohne Hülle.

Zu den Befürwortern einer Einhausung gehört Grünen-Stadtverordnete Saskia Hüneke. In einer aktuellen Erklärung argumentiert sie, dass Denkmal wirke in seiner Ambivalenz als politisches Mahnmal und als Kunstwerk wegen seiner „überzeugenden Gesamtkomposition und bildhauerischen Formqualität“. Gerade diese Eigenschaften, „die erst komplexere Denkansätze provozieren“, würden durch die Verwitterung nach und nach verschwinden, fürchtet Hüneke. Sie erinnerte auch daran, dass sie als Kulturstadträtin selbst das Denkmal mit nach Potsdam geholt habe und die Grünen 2003 für eine erste professionelle Reinigung Spenden gesammelt hätten. Sie habe auch mit dem Künstler Mehmet Aksoy gesprochen, dieser unterstütze die Einhausung. Das Denkmal müsse auch für kommende Generationen bewahrt werden, so Hüneke. „Mit welchen Maßnahmen dem Anliegen Rechnung getragen werden kann, dass Denkmal auch während wichtiger Daten im Winter vor Augen zu haben, werden wir beraten.“ Boede sagte gestern zu Hünekes Werben für die Einhausung, die Grünen seien in Potsdam offensichtlich nicht mehr in die Friedenbewegung eingebunden. In der nächsten Woche soll es ein Treffen zwischen Gegnern und Befürwortern der Einhausung geben.

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