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Etwas HELLA: Oh du mein liebes langweiliges P

Während in Hamburg die Luft brannte und eine mehr oder weniger heile Welt in Randale versank, was war da in Potsdam los? Nichts.

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Während in Hamburg die Luft brannte und eine mehr oder weniger heile Welt in Randale versank, was war da in Potsdam los? Nichts. Na gut, man hätte gleich zweimal zu einer Weinverkostung gehen können. Einmal zum Treff der Winzer Deutschlands am Klausberg und einmal in die Galerie Sperl, wo ein bekannter Fernsehmoderator einen selbst gekelterten edlen Tropfen anbot. Aber wie öde. Da war gutes Benehmen angesagt. Oder vielleicht ein Besuch der Pückler-Ausstellung im Park Babelsberg und anschließend noch das Open-Air-Blaskonzert auf dem Weberplatz? Bei Pückler sind wegen guter Organisation über das Internet sogar die Warteschlangen abgeebbt und dann blühen rings ums Schloss auch noch die Blumen so niedlich und die Wasser plätschern, dass einem ganz sanft ums Gemüt wird. Furchtbar. Wenn es beim Weberplatz-Konzert wenigstens noch schräg zugegangen wäre. Aber nein. Getrötet wurde Klassik. Blieb noch, im „Wohnzimmer“ auf dem Alten Markt zu sitzen. Das war wenigstens alternativ eingerichtet. Das Diner en blanc vor dem Barberini, ich bitte Sie, weiße Klamotten, wo doch echte Revoluzzer bekanntermaßen schwarz bevorzugen. Da hätte es auch nicht geholfen, sich vor dem Essen noch die modernen Amerikaner im Kunstmuseum anzugucken, obwohl Hopper sehr schön die Tristesse der Neuzeit trifft. Ich bin außerdem sauer, dass nichts aus meiner Anregung geworden ist, ein Dinner in blue ins Leben zu rufen, bei dem man im oder auf dem Gelände des Stadtkanals speist und alle „Trinkgelder“ dem weiteren Ausbau des Kanals zufließen. Aber was heißt hier überhaupt Stadtkanal als Luftverbesserer und edles Ambiente. Wo den doch niemand haben will. Am besten wieder zuschütten, was schon ausgebuddelt wurde.

Und dann diese mickrige Innenstadt-Demonstration gegen den G20-Gipfel. Wahrscheinlich waren alle, die so richtig Strom auf der Lampe oder Pulver im Molotow-Cocktail hatten, rechtzeitig nach Hamburg gereist. Sie haben bestimmt befürchtet, dass sie sich im biederen Potsdam zu Tode langweilen. Zumindest wird jetzt mit einer „G20-Aftershow“ gedroht, weil sich die AfD an einer Potsdamer Podiumsdiskussion beteiligen will.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Auch ich finde, dass das Treffen der Mächtigen dieser Welt zum Kasperle-Theater verkommen ist und dass dort Geld verbrannt wird, das anderswo viel dringender gebraucht wird. Die Idee, sich nur noch virtuell oder in einem Hochsicherheitstrakt mit freiem Essen und staatlicher Betreuung zu treffen, ist wirklich nicht von der Hand zu weisen. Aber dann wäre unser Leben ja noch uninteressanter.

Um aber ein weiteres Missverständnis auszuräumen: Ich liebe mein schönes, ruhiges, langweiliges Potsdam, obwohl auch mir wegen einiger Schlampereien manchmal das Blut kocht.

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.

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