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Kolumne Etwas HELLA: Oh lieber teurer Tannenbaum

Der Tannenbaum gehört dazu. Zum Weihnachtsfest.

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Der Tannenbaum gehört dazu. Zum Weihnachtsfest. So wie bunte Eier zu Ostern, nur dass die zum Glück billiger sind. Wenn ich daran denke, was einst die Kiefern kosteten, dann wird mir ganz wehmütig ums Herz. So um die fünf DDR-Mark gab ich damals aus. Na ja, die Kiefern und Fichten wurden nicht extra als künftige Weihnachtsbäume angepflanzt, sondern meist unter Hochspannungsleitungen geschlagen oder anderswo, wo sie zu stören anfingen. Sie waren oft krumm und schief, hatten Lücken im Gezweig und findige Bastler füllten die mit Bohrer, Geduld und Aushilfsgrün. Heiligabend hielten die Bäume meist noch gut durch. An den Feiertagen musste man schon vorsichtig auftreten, um nicht einen Nadelregen zu verursachen. Aber gerade weil man sie mit Samthandschuhen anfassen musste, wuchsen einem die Bäume ans Herz.

Jetzt sind es Edeltannen, die von Anfang an als Weihnachtsbäume aufgezogen werden. Sie sind pflegeleicht und so teuer, dass ich von dem Preis meine halbe Familie beschenken könnte, wenn ich mir den Baumkauf verkneife. Der Werderaner Tannenhof bietet im Lustgarten das teuerste Exemplar für 99,90 Euro an. Ich nehme an, dass es nicht der übliche Preis mit 99 Cent am Ende ist, damit wenigstens etwas Trinkgeld übrig bleibt. Der Service ist aber auch ziemlich sparsam. Den Stamm bearbeiten, damit er in den Ständer passt, konnten die Mitarbeiter nicht. Aber sie hatten passende Ständer im Verkauf, zu ebenfalls beachtlichen Preisen. Vielleicht, dachte ich, tut es auch ein kleinerer Baum. Man kann sich alles groß denken. Gruppe C sollte nur 14,90 Euro kosten. Da ich das C aber unter all den Buchstaben nicht fand, glaubte ich schon, das Bäumchen sei negativ in die Erde hineingewachsen oder ein Geisterwesen. Aber dann winkte mir doch eines in Puppenstubengröße mit seinen Zweigen. Leider war nun auch mein Glaube ans Mystische dahin. Wenn man die Supertannen wenigstens einwecken und wiederverwenden könnte. Dann würde sich durch mehrmalige Nutzung der Preis minimieren, doch da sind meine Versuche gescheitert, auch das Übersommern eines Baumes in der Kühltruhe gelang nicht. Also sah ich mich in diesem Jahr schon mit dem künstlichen Weihnachtsbaum kämpfen, den mir ein Gönner verehrt hat. Doch selbst mit Tannenduftspray und selbstlosem Schmückeinsatz bleibt der so entsetzlich steril, dass ich Depressionen bekomme.

Und dann doch noch ein Lichtblick. Ich entdeckte in der Ecke des Tannenhofes einige Mängelexemplare und da stimmt nicht nur der Preis, obwohl er über fünf Euro liegt. Aber die Nostalgie konnte erblühen. Die Bäume haben nämlich ihre Macken und so kann ich alte Gefühle hätscheln. Der Bohrer und ein paar Aushilfszweige liegen schon bereit. Dass ich mir beim Einpassen in den alten Ständer wieder in die Hände hacke, was macht’s aus. Weihnachten bleibt Weihnachten.

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.

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