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Landeshauptstadt: Ohne Geschäftsgrundlage

Nach der Pleite bei der Vergabe des Tourismusmarketings spielt die Stadtverwaltung offenbar auf Zeit

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Potsdam ist bekanntermaßen ein beliebtes Reiseziel – doch der Ärger um das Tourismusmarketing für die Stadt geht hinter den Kulissen weiter. Denn mehr als einen Monat, nachdem das Oberlandesgericht Berlin-Brandenburg (OLG) den Vertrag für das Potsdamer Tourismusmarketing de facto gekippt hat, ist ein Ausweg aus dem Schlamassel noch nicht in Sicht (siehe Kasten). Im Rathaus setzt man unter anderem darauf, den Vertrag vor Gericht trotz geringer Erfolgsaussichten doch noch durchfechten zu können. Am 21. Juli findet dazu vor dem OLG eine Verhandlung statt. Bis dahin wird – entgegen früherer Aussagen – das Tourismusmarketing auch weiterhin finanziert.

Das Gericht hatte bereits im April deutlich gemacht, eine Entscheidung der Landesvergabekammer bestätigen zu wollen, wonach der seit Anfang des Jahres geltende Vertrag der Stadt mit einer Tochterfirma der Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH (TMB) rechtswidrig zustande kam und daher unwirksam ist. Ein Mitbewerber um den Auftrag hatte sich benachteiligt gefühlt und die Kammer angerufen. Der zwischen der Stadtverwaltung und der TMB geschlossene Vertrag für dieses Jahr sei somit unwirksam, hatte die Stadtspitze damals eingeräumt – man könne der TMB angesichts der Lage nun auch keine weiteren Aufträge mehr erteilen, für eine Bezahlung von Leistungen fehle schlicht ein Vertrag. Doch die Zusammenarbeit zwischen TMB und Stadt funktioniert weiter wie bisher. TMB-Sprecherin Birgit Kunkel sagte auf Nachfrage, sowohl die Stadt als auch die TMB verhielten sich vertragskonform, das betreffe auch die Finanzierung: „Für die Leistung, die wir erbringen, wird und wurde das vertraglich vereinbarte Geld gezahlt.“

Bei der Auftragsvergabe waren im Bereich Wirtschaftsförderung im Rathaus schwere Fehler gemacht worden, unter anderem wurde die nötige europaweite Ausschreibung erst im Juli 2014 begonnen. Die TMB erhielt später einen bereits im vergangenen Dezember von den Stadtverordneten heftig kritisierten, freihändig vergebenen Übergangsvertrag für das gesamte Jahr 2015, der eine deutliche Steigerung der Zuschüsse um mehr als 50 Prozent auf 944 000 Euro enthielt.

Für den Vertrag aber gibt es nach der Entscheidung der Vergabekammer und den Hinweisen des Gerichts de facto keine Grundlage mehr. „Wie befinden uns nach wie vor im Gespräch mit der TMB, wie die vereinbarten touristischen Dienstleistungen geregelt werden könnten“, sagte Stadtsprecher Schulz. Unter anderem steht zur Debatte, ob die Stadt künftig wieder selbst Teile des Marketings übernehmen könnte. Für die TMB sagte Sprecherin Kunkel allerdings, dass es seit dem 29. April kein offizielles Gespräch zur gemeinsamen Lösungssuche mehr gegeben habe: „Weitere Gespräche machen auch erst Sinn, wenn wir wissen, wie sich die Stadt zu bestimmten Fragen positioniert.“

Bei der TMB sei, „die unklare und unsichere Arbeitsplatzperspektive“, unter der die für Potsdam eingesetzten 30 Kollegen leiden müssten, für das gesamte Team belastend, so Kunkel. Der Kernbereich der TMB, das Landesmarketing, sei allerdings nicht betroffen. Das zuständige Landeswirtschaftsministerium beobachtet indes die Lage. „Das ist eine unbefriedigende Situation – man kann nur hoffen, dass es bald eine Lösung gibt“, sagte Ministeriumssprecherin Andrea Beyerlein.

Inzwischen hat die Stadt den Auftrag zumindest für das nächste Jahr neu ausgeschrieben. Als Nachfolger für die TMB – die nicht noch einmal antreten will – steht die bundesweit aktive GLC in den Startlöchern, die bereits den Spreewald touristisch vermarktet und auch das Verfahren an der Vergabekammer angestrengt hatte. Edith Seemann aus dem GLC-Vorstand sagte auf Anfrage, man sei dabei, ein Detailangebot für Potsdam zu erstellen. Bis 2003 hatten städtische Eigenbetriebe das Marketing gemanagt, waren aber unter anderem an Geldmangel gescheitert.

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