Links und rechts der Langen Brücke: Ohne Tabus
Henri Kramer fordert eine intensive Diskussion zur Bewältigung der Potsdamer Verkehrsprobleme, die krank machen und das Wachstum der Stadt gefährden
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Feinstaub macht krank. Die ultrakleinen Partikel – sie entstehen etwa im Dieselruß oder durch Reifenabrieb, wenn Autos bremsen oder anfahren – erreichen ungefiltert die Lunge. Experten gehen von circa 300 000 Menschen pro Jahr aus, die europaweit durch Feinstaubbelastung sterben. Einige Potsdamer sind wohl auch darunter. Zwei Jahre nacheinander sind in der Landeshauptstadt die gesetzlichen Grenzwerte für Feinstaub – die übrigens unter den Standards der Weltgesundheitsorganisation WHO liegen – überschritten worden. Bei schädlichem Stickstoffoxid (NO2) ist die Lage ähnlich prekär.
Es ist ein klares Versäumnis, dass das Rathaus nicht schon nach den ersten Überschreitungen vor einem Jahr konkrete Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung eingeleitet hat – und wenn es sich auch nur um Fahrverbote für besonders rußende Autos oder das Wässern von Straßen, um an besonders problematischen Tagen Staub zu binden, ehandelt hätte. Doch selbst angekündigte „Grüne Wellen“ bei den Ampelschaltungen lassen auf sich warten.
Das Problem mit den Schadstoffen reicht weiter – denn Potsdam hat ein grundsätzliches Verkehrsproblem: Die Stadt wächst und damit die Zahl der fahrenden Autos. Doch für neue oder breitere Straßen, um dies zu kompensieren, gibt es keinen Platz. Doch gerade im „Stop-and-Go“-Verkehr entstehen viele Schadstoffe. Nun wird sogar wieder über eine dritte Havel-Brücke diskutiert – obwohl solche Pläne schon vor Jahren scheiterten und unklar ist, welche Kosten auf Potsdam zukämen.
Nötig aber sind Debatten über solche Themen – weil das Verkehrs-Nadelöhr in der Stadt zum Entwicklungshemmnis für ihr Wachstum zu werden droht. In der Diskussion darf es keine Tabus geben: Ist es wirklich so, dass der Ausbau der Radwege die Autofahrer bewegt, ihren Wagen stehen zu lassen – auch im Winter? Oder kann eine radikale Verbilligung bei den Ticketpreisen für den öffentlichen Nahverkehr – bei gleichzeitig horrend teuren Parkgebühren in der Innenstadt – ein Mittel gegen zu viel Autoverkehr sein? Dass sich das Verkehrsproblem von selbst reguliert, wie es vielleicht die Stadtverwaltung hofft, ist jedenfalls nicht zu erwarten – auch wenn bald die vom Rathaus angekündigten „Pförtnerampeln“ an den Hauptstraßen Potsdams stehen, die bei zu vielen Autos in der Innenstadt keine Wagen mehr durchlassen. Doch Autofahrer, dass zeigen die täglichen Staus, können geduldig sein.
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