Landeshauptstadt: Opfer-Anwälte: Strafmaß für Täter zu niedrig
Linke nahmen Stellung zu ersten Urteilen im Prozess um „Tram-Überfall“ / Hoffnung auf Signalwirkung
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Innenstadt - Sein Gesicht versteckte er hinter einer schwarzen Sonnenbrille. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Es wirkte müde und gequält – der lange Prozess um den Tram-Überfall durch eine Gruppe rechtsextremer Gewalttäter hat Tamás B. viel Kraft gekostet. Seit Prozessbeginn Ende Dezember 2005 war der Potsdamer Student oft im Gerichtssaal anwesend, um seinen Peinigern, die ihn am 3. Juli vergangenen Jahres mit Schlägen und Tritten traktiert hatten, in die Augen zu blicken. Das sei seine Art der Aufarbeitung der Ereignisse, hatte er kurz vor dem Richterspruch erklärt.
Im Anschluss an die gestrige Urteilsverkündung gegen fünf der insgesamt elf Angeklagten lud Tamás B. auf Initiative des linksgerichteten Vereins Jugend engagiert in Potsdam (JEP) Pressevertreter in das studentische Kulturzentrum in den Elfleinhöfen. Im Beisein seines Anwalts Stephan Martin äußerte er sich zum Urteil. Er wirkte erleichtert darüber, dass der erste Teil des Doppelprozesses mit der Strafmaßverkündung für die jugendlichen Täter abgeschlossen ist – am 30. März wird das Urteil gegen die sechs erwachsenen Angeklagten verkündet.
„Eins der vielen Kapitel ist nun beendet“, sagte der schwergewichtige junge Mann während des Pressegesprächs mit leiser Stimme. Genugtuung verspüre er nach dem Urteil jedoch nicht. „Bei dem einen oder anderen hätte ich mir ein anderes Strafmaß erwartet“, sagte Tamás B. Die Hauptangeklagte, die 18-jährige Sandra C., hatte während der Verhandlung zugegeben, mit einer Bierflasche auf den Kopf von Tamás B. eingeschlagen zu haben. Sie wurde wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Drei weitere Mittäter erhielten jeweils dreijährige Bewährungsstrafen, ein weiterer wurde wegen unterlassener Hilfeleistung verwarnt.
Auch Volker Wiedersberg, Anwalt des zweiten Opfers Christoph B., kritisierte das Urteil. „Die Strafen sind im Einzelnen zu niedrig“, sagte Wiedersberg. Sein Mandant sei durch den Übergriff für sein Leben gezeichnet, sowohl körperlich als auch seelisch. „Das lässt sich durch keine Strafe in jedweder Höhe begleichen“, so Wiedersberg.
Dennoch verbinde er mit dem Urteil die Hoffnung, dass sich die Täter womöglich aus der rechten Szene lösen könnten, insbesondere der stadtbekannten Tom S., der als Rädelsführer gilt. Dazu werde vielleicht auch der Besuch der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen beitragen, den das Gericht den Verurteilten auferlegt hat.
Anwalt Martin Stephan wünschte sich, dass die verhängten Strafen in einer Art Signalwirkung „die Leute in der Gewaltausübung zügeln“ werden. Er verwies darauf, dass allein von Mai bis Juli vergangenen Jahres 19 Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund verübt wurden. Tamás B. fügte hinzu, dass besagter Zeitraum innerhalb der rechten Szene zum „Summer of hate“ ausgerufen worden war. Dass die Strafen ihre beabsichtigte Wirkung haben werden, bezweifelte er allerdings. Nana Heymann
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