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Aus dem GERICHTSSAAL: Opfer: „So etwas wünsche ich keiner Frau!“

Versuchte Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung / Bewährungsstrafe

Stand:

Aus dem GERICHTSSAALVersuchte Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung / Bewährungsstrafe Gesine G. * (46) ist mit dem Mundwerk eindeutig schneller als ihr langjähriger Lebensgefährte. Hans H. * (50) stottert, fühlt sich der Freundin in der täglichen Konversation hoffnungslos unterlegen. In Extremsituationen versucht der Ex-Busfahrer dann, sein Handycap durch die Sprache der Gewalt auszugleichen. Jetzt hatte die Staatsanwaltschaft das Wort. Sie warf dem Alkoholiker vor, die Partnerin zwischen Oktober 2003 und Februar 2004 dreimal vermöbelt sowie versucht zu haben, sie zu vergewaltigen. In der gestrigen Schöffengerichtsverhandlung schwieg der Mann zum Anklagevorwurf, schaute schuldbewusst zu Boden. Gesine G. weinte während ihrer Aussage. Zwar sind die körperlichen Schmerzen vergangen, die seelischen Wunden brennen offenbar noch heftig. „Immer, wenn er zu viel getrunken hat, fällt er über mich her. Dann schreit er das ganze Haus zusammen“, erzählte die Archivarin. Dabei seien die Prügel auf Brust und Arme – auch die Schläge mit der Gardinenstange – das kleinere Übel. Das Schlimmste, was ihr Partner ihr je antun konnte, sei die versuchte Vergewaltigung. „So etwas in der eigenen Wohnung durch den vertrauten Mann erleben zu müssen wünsche ich keiner Frau“, schluchzte Gesine G. „Wir sind seit 20 Jahren zusammen.“ Spätestens jetzt drängte sich die Frage auf, warum die gepflegte Person dem Wüterich nicht längst die Tür wies. „Er ist krank und tut mir leid. Außerdem kann er ganz vernünftig sein, wenn er nüchtern ist“, klärte Gesine G. das Gericht auf. 1999 habe sich Hans H. einer Alkoholentwöhnung unterzogen. Danach hätten sie eine harmonische Zeit erlebt. Leider sei er rückfällig geworden, habe den Führerschein durch Trunkenheit im Straßenverkehr, dadurch auch seine Arbeit als Busfahrer verloren. „Daran war ich natürlich auch wieder schuld“, meinte Gesine G. resigniert. „Du hast eine Art, die Menschen zur Weißglut zu treiben“, brach der Angeklagte sein Schweigen. Er wolle vor Gericht keine schmutzige Wäsche waschen, wünsche sich allerdings, dass die Freundin ihn nicht als Monster darstelle. Gesine G. erwiderte, am Vortag der Verhandlung erneut von ihm angegriffen worden zu sein. „Er ist der Meinung, eine Frau habe sich dem Mann unterzuordnen. Mit welchem Recht eigentlich?“ Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft wähnte, Hans H. habe sich bis heute nicht von seiner Haltung distanziert. „Es ist an der Zeit, ihm ein Stoppsignal zu setzen“, verkündete sie. Ihr Antrag: Ein Jahr und zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen versuchter Vergewaltigung, gefährlicher sowie einfacher Körperverletzung. Das Schöffengericht entschied ebenso. (* Namen geändert.) Gabriele Hohenstein

Gabriele Hohenstein

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