Landeshauptstadt: Ovationen in der Preußenhalle
Vier Karnevalsvereine starten erstmals gemeinsam in die närrische Zeit / Narrentreiben in Bahnhofspassagen und Wilhelmgalerie
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Groß Glienicke – Es gibt Augenblicke, da tritt Matthias Völker selbst auf die Bühne, um das Publikum mit einem Song zu erfreuen. Im weißen Maßanzug gewandet, ließ der Präsident des Carnevalsclubs „Rot-Weiß“ Groß Glienicke, kurz CC GG genannt, die Gelegenheit dazu in der Preußenhalle Samstagabend nicht aus. „Da war ein Traum, der so alt ist wie die Welt und wer ihn träumt, hört ihm zu wenn er erzählt...“ tönt es und die Zuhörer fragen sich: „Ist das nun Bernd Clüver oder unser Matthias?“ Dann wandert der Scheinwerferkegel zum Bühnenrand und erfasst den kleinen Prinzen Paul, der einer Mundharmonika in der Hand hält. „Der Junge mit der Mundharmonika...“ singt Völker und der vierjährige Knirps vollführt dazu lässige Tanzschritte. Die Halle tobt, es gibt stehende Ovationen für die Playback-Show.
„Der Junge mit der Mundharmonika“ ist Teil einer dreistündigen Non-Stop-Show, mit der die vier Potsdamer Karnevalsvereine GG CC „Rot-Weiß“, der Lindenpark Karnevals Club (LKC), der Potsdamer Karneval Club (PKC) sowie das „Narrenschiff Potsdam“, in die fünfte Jahreszeit starteten. „Endlich alle in einem Haus“, hebt PKC-Präsident Hans Georg Meyer hervor und lobt die herrlichen Bedingungen in der Preußenhalle: „Davon können wir nur träumen.“ Meyer präsidiert in dieser Saison zum letzten Mal, will das Amt, in dem er sich so verdient gemacht hat, in jüngere Hände legen.
Schlag auf Schlag marschieren die festlich herausgeputzten Repräsentanten der vier Vereine in den Preußensaal und stellen sich vor der prächtig als Rathaus gestalteten Bühnenkulisse in Positur. „Wir sehen etwas anders aus, aber besser“, kündigt Narrenschiff-Präsident Dirk Brouér seine im Marine-Look aufmarschierende Truppe an. Die sechs Narrenschiff-Herren vom Männerballett ließen wegen ihrer Professionalität manchen Neid aufkommen. Blond gezopft als Holländerinnen tanzten sie in Holzpantinen zu den „Tulpen aus Amsterdam“. LKC-Präsident Folkhard Kaufmann lobte die Darbietung, konnte sich aber die Bemerkung nicht verkneifen: „Als Beamter hat man ja auch viel Zeit zum Probieren.“ Bekanntlich ist „Narrenschiff Potsdam e.V.“ der Karnevalsverein der Landesregierung. Die PKC-Herren konnten sich mit ihrer Ballettdarbietung zum Preußischen Marsch ebenfalls sehen lassen. Mit Pickelhaube und in von Hosenträgern gehaltenen Schlüpfern mit Tarn-Muster waren sie optisch eine Augenweide.
Ob Funkenmariechen und Funkengarde, die Young Fashion Teenies, die PKC-Showtanztruppe oder die Groß Glienicker Glamour Girls – ohne die fliegenden Beine der Mädchen wäre der Karnevalsauftakt nur halb so köstlich. Die elfjährige Kimberly Colditz wagte sich gar mutterseelenallein aufs Parkett und legte einen Showtanz mit Spagat-Einlagen hin, so dass die Zuschauer euphorisch aufkreischten. Einen feurigen Solotanz mit viel Akrobatik bot Sarah Grabow dar, die schon zweite Tanzmariechen-Landesmeisterin in Brandenburg ist.
„Wir starten dieses Jahr in die 22. Saison und da wollten wir zum Jubiläum mit den vier Vereinen etwas Besonderes bieten“ sagt Sabine Lorenz vom Groß Glienicker Carnevals Club. Lorenz hat den Ablauf mit den 22 Jubiläums-Programmpunkten maßgeblich mit konzipiert. Alles klappte wie am Schnürchen, umso überraschender die Auskunft: „Wie haben nicht ein Mal gemeinsam geübt und keine Generalprobe gehabt.“
Ortsbürgermeisterin Doris Maria Langenhoff musste sich bis um elf Minuten nach Mitternacht gedulden, um den „Dorfschlüssel“ an die Karnevalisten zu übergeben. Zuvor stellte Matthias Völker noch eine Rätselfrage an die Bürgermeisterin: „Wo befinden sich die Groß Glienicker Alpen?“ Auf diese Weise kam die von den Bürgern ungeliebte Gestalt des neuen Kreisverkehrs am Ortseingang, „der Kreisel mit den drei Bergen“, zum wiederholten Mal zur Sprache.
Warum der Dorfschlüssel nicht schon um 23 Uhr 11, also um elf Uhr elf, übergeben wurde erklärt Lorenz mit dem Standeskodex der Karnevalisten. Mit 11 Uhr 11 sei am 11. November ausschließlich der Vormittag gemeint. Zu dieser bedeutenden Stunde fand sich dann auch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs artig in der Wilhelmgalerie ein, um den Rathausschlüssel für drei Monate dem Potsdamer Karneval Club auszuhändigen. Der 29 Jahre bestehende LKC Babelsberg startete die närrische Zeit zur selben Stunde mit der Trauung von Prinz Jörg I. und Prinzessin Tina I. in den Bahnhofspassagen.
Günter Schenke
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