zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Paffhausen ballert auf das Mercure

Kommunalpolitiker trafen sich zum Duell mit dem Vorderlader. Beim umstrittenen Wohltätigkeitsschießen der Schützengilde schossen sie auf eine Stadtansicht Potsdams

Stand:

Das war die Riesenchance, den politischen Gegner im Wahlkampf endgültig loszuwerden. Aber keiner der Kontrahenten aus der Kommunalpolitik hat sie genutzt. Auf dem ersten Potsdamer Wohltätigkeitsschießen der Politik am vergangenen Samstag zogen es alle 14 Schützen vor, brav auf die Zielscheibe zu schießen – und natürlich nicht auf den politischen Gegner. Aber auch so war der Spaß beträchtlich, den die Teilnehmer und Gäste auf der Veranstaltung hatten, zu der die Potsdamer Schützengilde Ravensburg 1465 in ihr Vereinsgelände an der Michendorfer Chaussee eingeladen hatte.

So manchem Kritiker der im Vorfeld nicht unumstrittenen Veranstaltung (PNN berichteten) hätte wohl schon beim Anblick der Zielscheibe das Grausen gepackt. Nein, kein Mensch war darauf zu sehen – es war das Zentrum Potsdams, das die handgemalte Schießscheibe zierte. Eine Stadtansicht, so etwa von der Speicherstadt aus gesehen, im Vordergrund die Havel, dahinter Schloss und Hotel Mercure. Die eigentlichen Ringe, wie man sie von Zielscheiben kennt, waren nur unterhalb der Mitte, also im Wasser der Havel, aufgemalt.

„Wir haben gedacht Herr Klipp kommt, deshalb haben wir das Mercure hier genommen“, erklärte Mitinitiator Thomas Hintze vor Beginn des eigentlichen Schießens bei der Präsentation der Zielscheibe – und hatte dabei die Lacher auf seiner Seite. Hintze spielte damit auf die Überlegungen des Potsdamer Baubeigeordneten Matthias Klipp (Grüne) an, das Hotel Mercure eines Tages abzureißen. Überhaupt lässt sich bekanntlich über Abwesende am besten reden: Die friedliebenden Grünen hatten den Veranstaltern schon vor längerer Zeit einen Korb gegeben und waren trotz Einladung nicht zu dem Schießspektakel erschienen. So mutmaßte einer der Umstehenden am Samstag, Saskia Hüneke (ebenfalls Grüne), die den Staudenhof-Wohnblock gern aus dem Stadtbild getilgt sähe, hätte wohl auf dieses – tatsächlich gar nicht sichtbare – Haus gezielt. Sogleich imitierte der Mann aus der Hüfte geschossenes Dauerfeuer.

Als Erster wagte sich Wieland Niekisch (CDU) am Samstag in den Schießstand. Niekisch, selbst Oberstleutnant der Reserve, legte mit dem vom Schützenverein zur Verfügung gestellten Vorderlader zunächst einen glatten Fehlstart hin. Dass der promovierte Historiker damit an eine Episode seiner Partei oder der politischen Gegner erinnern wollte, darf als ausgeschlossen gelten, schließlich versagte nur das Zündhütchen, wofür Niekisch wahrlich nichts konnte. Der zweite Schuss verfehlte die Scheibe nicht.

Niekischs Parteikollegin und Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig, immerhin im Range eines Kapitänleutnants der Reserve, trat als Nächste an – und traf das Stadtschloss. Ludwig, die bei der bevorstehenden Kommunalwahl für den Ortsbeirat von Golm kandidiert, blieb mit diesem Kulturfrevel die Einzige am Samstag. Ob Mike Schubert, SPD-Fraktionschef im Potsdamer Stadtparlament, mit seinem Schuss den kürzlich in der Stadtpolitik mühsam errungenen Kompromiss zu den Bauplänen der Weissen Flotte torpedieren wollte, wird sein Geheimnis bleiben. Er traf genau den Bauplatz des geplanten Ticket-Pavillons.

Seinen spontanen Entschluss, in die Potsdamer Schützengilde einzutreten, verkündete Andreas Ehrl auf der Veranstaltung. Vor drei Jahren noch in einer Kampfabstimmung um den CDU-Kreisvorsitz Katherina Reiche unterlegen, bewirbt sich der Autohausbesitzer bei der Kommunalwahl auf dem Ticket der FDP um einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung. „Weil ich es hier so gemütlich finde“, begründete Ehrl seinen Entschluss, dem Verein beizutreten. Er sei bereits Sportschütze im Pistolenschießen.

Ganz und gar nicht auf Parteilinie zeigte sich Ex-Stadtwerkechef Peter Paffhausen, der als Kandidat der Linken für das Stadtparlament kandidiert. Er traf die heilige Kuh seiner Partei. Denn sein Schuss ging direkt ins Mercure. „Da kam die wahre Gesinnung heraus“, witzelte Paffhausen mit breitem Grinsen hinterher – und man wusste nicht so recht, ob er es ernst meint oder nicht. Zum Ausgleich für diesen politisch unkorrekten Schuss hätte Linken-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg die Chance gehabt, auf das Stadtschloss anzulegen. Doch er hatte kurzfristig aus Termingründen abgesagt, wie die Veranstalter mitteilten. Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte die Einladung „aus Zeitgründen“ nicht wahrnehmen können.

Gewinnerin des unter der Schirmherrschaft von Susann Prinzessin von Preußen stehenden Wohltätigkeitsschießens wurde Jacqueline Krüger (FDP). Während ihr oberster Parteiboss Christian Lindner auf dem Dresdner Parteitag gerade verkündete, „man kann nicht kämpfen, wenn man die Hosen voller als das Herz hat“, zeigte Krüger mit ihrem Schuss, wie ein Sieg aussieht. Das aus dem Startgeld von je 50 Euro und weiteren Spenden gespeiste Preisgeld – nach Angaben der Veranstalter insgesamt 1000 Euro – spendet Krüger dem Potsdamer Blinden- und Sehbehindertenverein Pro Sehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })