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Von Erhart Hohenstein: Palais kein „Feierschloss“

Deckensanierung soll Marmorsaal wieder begehbar machen / Ballnächte wird es dort aber nicht geben

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Auch nach der Sanierung und Restaurierung soll das Neue Palais kein „Feierschloss“ werden. Dies erklärte der Baudirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Alfons Schmidt, gestern bei einem Vor-Ort-Termin. Dabei stellte er die Untersuchungen der Zwischendecke zwischen dem Marmor- und dem darunter gelegenen Grottensaal vor, die von Holzschädlingen befallen ist und eine ungenügende Tragfähigkeit aufweist. Von der Lösung dieser Probleme wird wesentlich abhängen, ob das größte Potsdamer Königsschloss wie vorgesehen im Jahr 2012 als Mittelpunkt der Feierlichkeiten aus Anlass des 300. Geburtstages seines Bauherren Friedrich II. dienen kann.

Der Baudirektor erklärte, die Stiftung halte daran fest, das Neue Palais weiterhin als Museumsschloss zu nutzen, und werde dieses Konzept gegenüber anderen Ansprüchen vertreten. Damit nahm er indirekt zu Gerüchten Stellung, die Bundesregierung wolle das barocke Baudenkmal für repräsentative Zwecke nutzen. Dies war bereits im Vorjahr von Kulturstaatsminister Bernd Neumann dementiert worden. Ziel einer Sanierung der Decke sei, dass ab 2012 wieder Touristen durch den seit dem Vorjahr gesperrten Marmorsaal geführt werden können, sagte Alfons Schmidt. Er gehe davon aus, dass der Saal dann auch für Empfänge für bis zu 200 Personen genutzt werden könne, allerdings keineswegs für rauschende Ballnächte. Gleiches gelte für den Grottensaal, der wegen der Gefahr von der Decke herabfallenden Stucks jetzt nur eingeschränkt besichtigt werden kann.

Der für Sanssouci zuständige Bereichsarchitekt Volker Thiele und die Leiterin der Skulpturenwerkstatt der Stiftung, Katrin Lange, erläuterten die vor sechs Wochen begonnenen Untersuchungen. Dafür wird eine im Normalfall für Lecks in Rohrleitungen verwendete Kanalkamera eingesetzt. In einen roten Schlauch, einem sogenannten „Schiebeaal“, eingesetzt und in die nur 30 - 40 cm breiten Zwischenräume der Balkenlagen eingeschoben, filmt die Kamera die Oberfläche von 47 der 70 Balken. Daraus kann abgeleitet werden, inwieweit Holzschädlinge die Balken befallen haben, aber auch welche den Marmorfußboden tragen und welche die Decke des Grottensaals mit ihren kostbaren Stukkaturen und dem Deckengemälde halten. Außerdem liefert sie Informationen über den Verlauf der Balken, denn nicht alle überbrücken die gesamte Saalbreite von 18,40 Metern. Dem dient auch das Impuls-Radarverfahren, mit dem Informationen über die Deckenkonstruktion und dabei vor allem über Bolzen und andere bei dem Bau verwendeten Metallteile gewonnen werden. Zudem ist zur Garten- und zur Innenseite des Saals ein jeweils 38 Zentimeter breiter Randstreifen aufgenommen und mit nicht verfugten Marmorplatten belegt worden, so dass er bei weiteren Untersuchungen jederzeit ohne größere Eingriffe für sogenannte Revisionsöffnungen genutzt werden kann.

Wenn die Kamera am Schiebeaal alle Balken dokumentiert hat, liegt den Gutachtern ein Film von fast einem Kilometer Länge vor. Daraus müssen sie die Schwachstellen der Konstruktion und das Ausmaß der Schädigungen ablesen. Im Sommer sollen die Untersuchungsergebnisse vorliegen, auf denen eine Sanierungsplanung aufbauen kann. Begründet hofft Volker Thiele, dass der Hausschwamm, der vor 240 Jahren die Balken bald nach dem Verlegen befiel, längst „inaktiv“, also abgestorben, ist.

Es könnte aber auch anders kommen. Dies würde laut Baudirektor Schmidt einen „denkmalpflegerischen Supergau“ (größter anzunehmender Unfall) bedeuten. Dann müsste der mit Blumenmotiven farbig ausgelegte, europaweit kostbarste und mit 516 Quadratmetern größte Marmorfußboden aus dem Barock komplett aufgenommen werden – mindestens ein Fünftel würde dabei laut Schmidt verloren gehen.

Erhart Hohenstein

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