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Von Jörg Schreiber: Panik-Rocker im Oderbruch
Schloss Neuhardenberg zeigt Atelier und Devotionalien des „Hotel-Nomaden“ Udo Lindenberg
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Neuhardenberg - Manfred Besser schaut hochzufrieden in das Atelier des Panik-Rockers Udo Lindenberg. In dem „Spitzwegstübchen“ steht vor dem Panoramafenster unterm Schrägdach Udos Arbeitstisch mit farbigen Spirituosen drauf, ein Hocker davor, in der Ecke eine Staffelei mit einer Zeichnung des Sängers, ein Ghettoblaster auf dem Tisch, Eimer und Farbschalen verteilen sich auf dem Fußboden. Allerdings steht der Freund und Berater des Allround-Künstlers nicht unterm Dach des noblen Hamburger Grand Hotels Atlantic, wo Lindenberg seit etwa 15 Jahren residiert, sondern auf Schloss Neuhardenberg am Oderbruch.
Im dortigen Kavaliershaus Ost wurde Udos Atelier für die bis 25. Oktober dauernde Ausstellung „Grand Hotel Abgrund – Dichtung und Dichter im Hotel“ nach den exakten Hamburger Maßen nachgebaut. Zum ersten Mal überhaupt, wie Besser anmerkt. „Es ist sensationell gut geworden, die ganze Atmosphäre ist absolut stimmig“, sagt er. „Die Innenausstattung ist original, ich habe das bei Udo rausgenommen, was er gerade nicht braucht, sogar eine Wandlampe abgeschraubt. Das ist schon ein sehr privater Blick.“
Die vom Literaturhaus München konzipierte Ausstellung wurde für Neuhardenberg um Stücke aus Berliner Grand Hotels ergänzt. So zeigt die Schau – die den Besucher von einer Hotel-Rezeption an gedeckten Tischen vorbei bis zu den Gemächern von Marlene Dietrich führt – alte Speisekarten, Originalgeschirr, eine Reiseschreibmaschine, Grammophone und Plakate aus der großen Zeit der mondänen Hotelpaläste etwa in Rom, St. Moritz, Zürich oder dem alten Berliner Adlon.
Stationen sind Literaten gewidmet, die teils monatelang in Hotels wohnten und diese nicht selten in die Weltliteratur einfließen ließen. Die Stiftung Schloss Neuhardenberg ging aber noch weiter: „Wenn wir schon von Vladimir Nabokov bis Joseph Roth und von Thomas Mann bis Klaus Mann diese Ausstellung zeigen, dann möchten wir doch bitte den letzten Hotel-Asylanten mit berücksichtigen“, sagt der Generalbevollmächtigte der Stiftung, Bernd Kauffmann, zum Motiv, auch auf den „Hotel-Nomaden“ Lindenberg einzugehen. „Das ist eine neue Dimensionierung seiner Person“, sagt Kauffmann. Zudem sei Lindenberg nicht nur Sänger und Rock-and-Roller, sondern auch „ein großer Poet“. „Deshalb setzen wir ihn als Gesamtkunstwerk in die Ausstellung mit hinein“, sagt Kauffmann, der Lindenberg nach eigenen Angaben seit 1999 aus seiner Weimarer Zeit kennt, als sich beide „schätzen gelernt“ hätten. „Lindenberg ist ein superguter Texter, gehört also in diese Riege hinein“, sagt auch Manfred Besser und betont: „Nichts liegt näher, wenn man eine Ausstellung über Menschen im Hotel macht, als dass man zeigt, wie er im Hotel lebt und arbeitet.“ So bildet die Lindenberg-Schau quasi den Mittelpunkt einer Ausstellung, die ansonsten den morbiden Charme der Grand Hotels widerspiegelt. In einem Raum mitten in der Ausstellungshalle wurde ein fiktives Hotelzimmer gestaltet, das zwar nicht möbliert, dafür aber mit Lindenberg-Devotionalien ausgestaltet ist. Neben einem mannshohen Foto von Lindenberg sowie Aufnahmen des Sängers gemeinsam mit Helge Schneider im Atlantic-Hotel sind einige seiner berühmten „Likörelle“ – mit farbigen Spirituosen gemalte Aquarelle – zu sehen.
Besser stellte passend zu entsprechenden Liedzeilen auch einen Koffer mit Kokain dazu, die Tüten seien freilich mit Puderzucker gefüllt, wie er sagt.
Eine Treppe führt hinauf zum „Spitzwegstübchen“, in dessen Original schon Max Liebermann und Oskar Kokoschka gearbeitet hatten und wo Lindenberg seit vielen Jahren seine „Likörelle“ malt. Der Besucher darf zwar nicht hineingehen, dafür aber auf einem Video-Schirm Udo zuschauen und seiner Musik lauschen. Davor liegt passenderweise der Text des Songs „Mein Ding“ aus seinem jüngsten Album „Stark wie zwei“ aus, in dem er sein Leben im Hotel Atlantic beschreibt und dort „Dosenbier und Kaviar“ bestellt.
Jörg Schreiber
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