Landeshauptstadt: Pantherpilz und Grauer Wulstling
Potsdams Pilzvater Günther Bickerich wäre am 21. September 100 Jahre alt geworden
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Potsdams Pilzvater Günther Bickerich wäre am 21. September 100 Jahre alt geworden Von Erhart Hohenstein Die Sachsen haben ihm viel zu verdanken: Günther Bickerich nahm ihnen am Beratungsstand auf dem Bassinplatz immer wieder den Pantherpilz aus den Körben. Die Urlauber aus den südlicheren Gefilden verwechselten dieses Waldgewächs, das schwere Vergiftungen mit Sehstörungen und Rauschzuständen hervorruft, mit dem essbaren Grauen Wulstling oder dem Perlpilz. Den Potsdamern war der „Pilzvater“, wie der gütige Mann mit dem Kinnbärtchen bald genannt wurde, ebenso nützlich. Die neigten nämlich dazu, die giftige Frühjahrsmorchel statt der Speise- oder Spitzmorchel in die Pfanne zu hauen. „In die Pilze“ ging Bickerich, der am 21. September 1893 – vor 100 Jahren – bei Posen geboren wurde, schon als Kind. Später lernte er auf solch einer Sammeltour sogar seine Frau kennen. Katharina Bickerich-Stoll, die heute als 88-Jährige nach wie vor im Rehbrücker Häuschen lebt, war 1954 zur Bezirksbeauftragten für Pilzaufklärung bestellt worden. Sie gewann ihren Mann dafür, diese Aufgabe für die Stadt Potsdam zu übernehmen. Damals wurde DDR-weit ein engmaschiges Beratungsnetz mit Pilzsachverständigen aufgebaut. Günther Bickerich hatte Ende der 20er Jahre die Universität Heidelberg mit dem neu eingeführten Titel eines Diplomgärtners verlassen. Nach dem Krieg wurde er 1948 am Zentralinstitut für Ernährung in Potsdam-Rehbrücke tätig und ging dann für zwei Jahrzehnte als Lehrbeauftragter an die Landwirtschaftlich-gärtnerische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Bei seinen Studenten gewann er große Beliebtheit, weil er über Vorlesungen und Seminare hinaus mit ihnen immer wieder „in die Botanik zog“. Diesen Weg wählte der leise, bescheidene Mann auch in der Pilzaufklärung, für die er zahlreiche Mitstreiter heranbildete. Neben der Tätigkeit in der Arbeitsgemeinschaft Mykologie des Kulturbundes, Volkshochschulkursen und vielbesuchten Ausstellungen „Im Wald und auf der Heide“ im Pavillon der Freundschaftsinsel leistete er im von ihm begründeten Beratungsstand (manchmal lebenswichtige) Hilfe, vor allem aber zog er bis ins hohe Alter mit Gruppen von Sammlern in die märkischen Wälder rings um Potsdam. Dabei erläuterte er die einzelnen Pilzarten und ihre Standortbedingungen. Seine Frau veröffentlichte indes drei Pilzbücher mit meisterhaften Aquarellen. Sie sind heute zur gefragten Rarität geworden. Im hohen Alter zog sich Günther Bickerich etwa zurück – zu seinem 90. Geburtstag kamen noch einmal viele Gratulanten. Knapp drei Monate später, am 10. Dezember 1993, erfüllte sich sein Leben. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Friedhof in Rehbrücke.
Erhart Hohenstein
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