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Landeshauptstadt: Parapluie und Fluchtpunkt

Jubiläum der GFB - Gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung Brandenburger Kinder und Jugendlicher

Stand:

Jubiläum der GFB - Gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung Brandenburger Kinder und Jugendlicher Mit der Eröffnung des Potsdamer Militärwaisenhauses vor 280 Jahren holte König Friedrich Wilhelm I. verwaiste und verwahrloste Soldatenkinder von der Straße, ließ sie unterrichten und in einem Handwerk ausbilden. Die 1992 wiederbegründete Stiftung „Großes Waisenhaus“ fühlt sich diesem sozialen Anliegen verpflichtet. Sie rief die GFB - Gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung Brandenburger Kinder und Jugendlicher ins Leben, die jetzt auf ihr zehnjähriges Bestehen zurückblickt. In den acht Kinder- und Jugendeinrichtungen der GFB finden etwa 510 benachteiligte junge Menschen Obdach. Sie werden von rund 300 Mitarbeitern individuell gefördert. Ziel ist, ihnen durch Unterricht, Erziehung und Berufsausbildung ein selbständiges Leben zu ermöglichen. Das ist unter dem Motto „Gemeinsam wachsen“ bisher bei etwa 2200 jungen Leuten gelungen, zieht GFB-Geschäftsführer Norbert Lekow Bilanz. Die teils in alten Herrenhäusern untergebrachten Heime, für die auch baulich viel getan wurde, sind über ganz Brandenburg verstreut. Doch die Tochter der Waisenhaus-Stiftung ist am Stammsitz Potsdam ebenso aktiv. Durch den von Frauke Frehse geleiteten Jugendhilfeverbund Potsdam bietet sie in besonderen Wohnformen und im „Fluchtpunkt“ Kindern und Jugendlichen Schutz und die Möglichkeit, wieder in ein geordnetes Leben zurückzufinden. Beim „Innenwohnen“ nehmen Erzieherinnen zusätzlich Kinder in ihre eigene Familie auf. Im Haus „Parapluie“ wohnen sechs Kinder gemeinsam mit Erzieherin, Lehrerin und einer Mitarbeiterin, die die leiblichen Eltern betreut. Außerdem gibt es eine Tagesgruppe, aus der die Kinder abends nach Hause zurückkehren. Von einem noch nicht einmal einjährigen Würmchen bis zu pubertierenden Jünglingen zwischen 12 und 14 reicht die Altersspanne. Frauke Frehse räumt mit dem Horrorklischee der misshandelten, grün und blau geschlagenen Kinder auf: „In der Regel stellen die Eltern in Absprache mit dem Jugendamt selbst den Antrag auf Aufnahme in eine Wohngruppe.“ Der Hauptgrund dafür sei, dass z.B. Kinderreiche oder allein stehende Mütter mit der Erziehung und mit der Organisation des Familienlebens überfordert sind, was man nach Frau Frehses Erfahrungen „genau so lernen müsste wie einen Beruf“. Doch die bäuerliche oder handwerkliche Großfamilie, in den die Erfahrungen von Generation zu Generation vermittelt wurden, gibt es ja kaum noch. Und so finden sich Kinder sowohl von Obdachlosen wie auch aus dem sozialen Mittelstand in den Wohngruppen. Hier wird größter Wert auf einen klar strukturierten, regelmäßigen Tagesablauf gelegt. Wichtig sei die Auseinandersetzung und Diskussion innerhalb der Gruppe, auch Strafen gibt es, die mit Entzug eines geplanten Kinobesuchs o.ä. allerdings äußerst moderat ausfallen. In jedem Fall halten die Erzieherinnen engsten Kontakt mit den Eltern, denn die Rückführung in die Familie ist oberstes Ziel. Der so genannte Hilfeplan wird halbjährlich überprüft, und wenn Frauke Frehse und ihre Kolleginnen in den Abschlussbericht „Hilfe erfoglreich abgeschlossen“ eintragen können, sind sie glücklich. Dies gelingt bei etwa der Hälfte der betreuten Kinder, weitere 30 Prozent werden vorzeitig von den Eltern zurückgeholt. Das Fünftel, bei dem die Hilfe erfolglos bleibt, hat allerdings einen schwierigen Weg vor sich, der über Heime oder auch in die Psychiatrie führen kann. * * * Komplizierter als in den Wohngruppen geht es im „Fluchtpunkt“ zu, der in einem Gebäude auf dem Gelände der GFB in der Puschkinallee 14 eingerichtet wurde und unter Telefon (0331) 291889 zu erreichen ist. Hier suchen jährlich etwa 400 Potsdamer Kinder und Jugendliche Zuflucht, die nach einem Streit mit den Eltern von zu Hause ausgerissen sind, andere werden von der Polizei gebracht, weil sie beim Stehlen ertappt oder an so genannten Jugend gefährdenden Orten aufgegriffen wurden. „Diese pubertierenden Jugendlichen können zu Hause nicht über ihre Probleme sprechen und suchen in einer Clique, im Vagabundieren, in der Gewalt und anderen kriminellen Handlungen einen Ausweg“, erklärt Frauke Frehse. Vier Tage dürfen die „Gestrandeten“, während die GFB-Mitarbeiterinnen Kontakt zu den Eltern aufnehmen und nach einer Lösung suchen, in der Notaufnahme bleiben, in besonders schwierigen Fällen bis zu drei Monate. Auch in diesen Fällen ist die Erfolgsquote relativ hoch. Etwa die Hälfte der im „Fluchtpunkt“ betreuten jungen Leute lässt sich später dort sehen und berichtet nicht ohne Stolz. „die Kurve gekriegt“ zu haben. Neben viel Stress und zahlreichen Rückschlägen haben die Mitarbeiter(innen) der GFB, ob in den Heimen, in den Wohngruppen oder im „Fluchtpunkt“, also auch immer wieder glückliche Momente, verdeutlicht Geschäftsführer Lekow. Das wurde beim Fest zum zehnjährigen Bestehen besonders deutlich, zu dem 350 ihrer Schützlinge in das Strandbad Babelsberg gekommen waren. Im Oktober dieses Jahres wird es dann den offiziellen Festakt zum Jubiläum geben.

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