
© Manfred Thomas
Von Henri Kramer: Parteivorstand steht zu Scharfenberg
Potsdamer Linken-Spitze attestiert möglichem Oberbürgermeister-Kandidaten offenen Umgang mit Stasi-Vergangenheit
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In der Stasi-Debatte kann sich der Linke-Politiker Hans-Jürgen Scharfenberg auf seine Partei verlassen. Der Potsdamer Kreisvorstand der Linken hat dem aussichtsreichen Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt den Rücken gestärkt. Bei einer Klausursitzung am Samstag im Bürgertreff im Ortsteil Eiche beschlossen die 14 Vorstandsmitglieder des Kreisverbands einstimmig eine Erklärung, laut der „Einmischungsversuche in die Willensbildung“ der Partei zurückgewiesen werden.
Jüngst hat Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der auch antreten will, die Linke aufgefordert, Scharfenberg wegen dessen Stasi-Vergangenheit nicht aufzustellen. „Die dem Kreisvorstand bekannten Sachverhalte und Fakten belegen eindeutig, dass Hans-Jürgen Scharfenberg offen mit seiner Biographie umgegangen ist“, heißt es dagegen nun beim Kreisvorstand. So sei bei mehreren Wahlen stets bekannt gewesen, dass Scharfenberg „zeitweilig“ als Informeller Mitarbeiter für die DDR-Staatssicherheit tätig war. Damit sei eine erneute Kandidatur Scharfenbergs möglich, da er die Anforderungen eines Parteibeschlusses von 1991 zur Offenlegung von Stasi-Tätigkeiten erfülle.
Daran hatte es in den vergangenen Wochen zunehmend Zweifel gegeben, weil Scharfenberg erst 1995 seine IM-Vita publik gemacht hatte. Auch am Samstag konnte Scharfenberg dem Kreisvorstand noch keine schriftlichen Zeugnisse vorlegen, wie er vor 1995 mit seiner Stasi-Tätigkeit umgegangen war. Zugleich hätten sich aber mehrere Mitstreiter aus der Zeit – unter anderem Parteiveteran Rolf Kutzmutz – vor Scharfenberg gestellt: Er habe die Partei bei einer Konferenz vor der Kommunalwahl im Jahr 1993 mündlich über eine „Zusammenarbeit“ mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) informiert. Nachfragen aus der Partei habe es damals keine gegeben, hieß es. Auch ein Wortprotokoll der Sitzung soll es laut den damaligen Zeugen nicht geben. „Es bleibt somit immer noch schwierig zu sagen, wer was wann wie ausführlich gesagt hat“, sagte Linke-Kreischef Günther Waschkuhn nach der Sitzung.
Nach PNN-Informationen plant die Partei nun, im Internet Scharfenbergs Stasi-Vergangenheit offensiv zu publizieren – ähnlich wie es die ebenfalls mit einer Vergangenheit als Stasi-IM belastete Linke-Landtagsfraktionschefin Kerstin Kaiser bereits seit Jahren praktiziert. Um den Text über Scharfenberg glaubwürdig zu gestalten, sind beigefügte Zeitungsartikel und Aussagen von Zeugen im Gespräch.
Allerdings ist auch nach der Entscheidung des Kreisvorstands vom Wochenende die Kandidatur von Scharfenberg noch nicht selbstverständlich. Bis Juni will sich die Linke entscheiden: „Wir werden sehen, wie sich die Chancen für uns entwickeln“. Abstimmen wird eine Wählervertreterkonferenz, die bis April aus den Untergliederungen der Partei gebildet wird. Derzeit gilt die Wahl von Scharfenberg, der seit Jahren das Machtzentrum der Potsdamer Linke bildet, als sicher. Andere Kandidaten sind laut Waschkuhn bisher nicht im Gespräch.
Scharfenberg hatte von 1978 bis 1985 an der Akademie für Staat und Recht Kollegen und Vorgesetzte bespitzelt. Im Stadtparlament sitzt er seit 1990. Seine Vergangenheit als Stasi-Spitzel machte er 1995 in der Stadtverordnetenversammlung öffentlich, aber ohne Details. Zuvor hatte er 1992 als einer von sieben Stadtverordneten eine Überprüfung durch die Stasi-Unterlagenbehörde abgelehnt und damit seine Enttarnung zunächst verhindert. Scharfenberg begründete dies damit, dass seine Partei mit einem aus Stadtverordneten bestehenden Prüfgremium nicht einverstanden gewesen sei. Als der 55-Jährige vor acht Jahren für das Amt des Oberbürgermeisters kandidierte und knapp an Jakobs scheiterte, spielte seine Vergangenheit kaum eine Rolle.
Auch jetzt hofft die Linke, dass sich die Stasi-Debatte um Scharfenberg beruhigt. So heißt es in einem zweiten Beschluss vom Wochenende, man wolle einer „ausschließlichen Personalisierung des Wahlkampfs“ entgegentreten. Im Mittelpunkt des Wahlkampfs müsse die Frage stehen: „Welches Potsdam wollen wir?“ Ob so eine Diskussion mit einem Kandidaten Scharfenberg und seiner Stasi-Vergangenheit überhaupt möglich sein kann, haben die Genossen am Wochenende für sich noch nicht beantwortet.
Das Video wurde uns freundlicherweise von PotsdamTV zur Verfügung gestellt.
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