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Hat es sich bald ausgetanzt? Veranstalter in der Potsdamer Partyszene befürchten, dass ihnen durch die geplante Reform der Gema-Gebühren hohe finanzielle Verluste drohen. Kritiker der Reform warnen vor einer „Verarmung der Veranstaltungskultur“.

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Umstrittene Gema-Reform: Partymacher in Not

Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, kurz Gema, hat jüngst angekündigt, ihre Gebührenstruktur ab dem nächstem Jahr komplett umzustellen. Die Dehoga warnt vor Schließung von Diskotheken.

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Potsdam - Für Dauergäste von Diskotheken in Potsdam dürfte die Warnung von Mario Kade drastisch klingen. „Manche Läden werden zumachen können“, sagte der Präsident des Brandenburger Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga am Montag vor Journalisten. Der Anlass für diese Warnung: Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, kurz Gema, hat jüngst angekündigt, ihre Gebührenstruktur ab dem nächstem Jahr komplett umzustellen. Seitdem laufen Gastronomen deutschlandweit Sturm, weil sie künftig extrem hohe Gema-Gebühren fürchten. Von einer Erhöhung um tausend Prozent und mehr ist die Rede. „Wir werden uns diesem Raubzug entgegensetzen“, sagte Kade, der auch rechtliche Schritte ankündigte.

Zum Hintergrund: Die Gema erhebt bisher elf verschiedene Tarife. Diese sollen künftig durch zwei Tarife für Live- und Tonträgermusik ersetzt werden. Mit diesem transparenten System würden künftig alle Veranstalter gleich viel für die Nutzung von Musik bezahlen, argumentiert die Gema – einzig auf die Veranstaltungsfläche und das Eintrittsgeld käme es noch an. Kritiker dagegen bemängeln, dass durch die Reform die bislang herrschende Einzelfallgerechtigkeit verloren gehe.

Nachgerechnet hat bereits Sebastian Michalske, der im Lindenpark in der Stahnsdorfer Straße für die Veranstaltungen zuständig ist. Bisher habe eine Party mit 10 Euro Eintritt auf 300 Quadratmetern rund 280 Euro gekostet. Die gleiche Party würde künftig 340 Euro kosten – wenn sie fünf Stunden dauert. „Aber jede normale Party dauert länger“, so Michalske. Für die zusätzlichen Stunden würde die Gema einen Zeitzuschlag planen, der die Gebührensumme auf 680 Euro verdoppeln würde. Im Vergleich zur heutigen Situation sind das 400 Euro mehr. „Es wird dann schwierig, alle Veranstaltungen am Leben zu halten“, so Michalske.

Bei der Gema werden die Vorwürfe der Partymacher dagegen zurückgewiesen. „Wir sind nicht der Ansicht, dass die neuen Tarife Veranstalter ruinieren werden“, sagte Gema-Sprecher Franco Walther. Aktuell würde nach einem vergleichsweise günstigen Diskothekentarif abgerechnet: „Damit liegen die deutschen Diskotheken im internationalen Bereich am unteren Ende.“ Daher sei eine Anpassung nötig. Nach der ersten Kritik habe die Gema inzwischen die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt angerufen. Diese Stelle werde über die Angemessenheit der Tarifreform entscheiden. Walther sagte auch, von den Gema-Plänen würden gerade soziokulturelle Zentren mit kleineren Veranstaltungen und moderaten Eintrittspreisen profitieren: „Hier wird es günstiger oder die Preise bleiben zumindest gleich“.

Solchen Aussagen wird im Waschhaus in der Schiffbauergasse widersprochen. Auch in dem soziokulturellen Zentrum hat Veranstaltungsleiter Tilo Schönbeck berechnet, was die neuen Gema-Gebühren bedeuten würden. Bei einer kleinen Disko im Klub des Hauses mit 150 Gästen und einem Euro Eintritt würde die Gema-Gebühr von 26,40 auf 33 Euro steigen – bei 60 solcher Veranstaltungen pro Jahr wären das knapp 400 Euro Mehraufwand. Zudem fürchtet Schönbeck, dass mit dem neuen System der bürokratische Arbeitsaufwand steigen könnte – selbst für Veranstalter wie das Waschhaus, die mit der Gema einen Pauschalvertrag abgeschlossen haben. Zusammen mit anderen Klubs in Deutschland hat das Waschhaus inzwischen eine Petition der Bundesvereinigung der Musikveranstalter gegen die Erhöhung unterzeichnet.

Mit den neuen Gema-Tarifen sieht auch das „Archiv“-Kulturzentrum in der Leipziger Straße neue Belastungen auf sich zukommen. Archiv-Sprecher Kay- Uwe Kärsten sagte den PNN, damit werde es immer schwerer, niedrigschwellige Angebote zu machen. Kärsten weiter: „Dadurch wird der ohnehin starke Trend zu sinnentleerten und nur auf finanziellen Gewinn orientierten Party- Veranstaltungen noch verstärkt.“

Vom Ende seiner Arbeit als Disko-Betreiber spricht bereits Bert Zeisig, der Geschäftsführer des „Nachtlebens“ in der Schopenhauerstraße. Er selbst hat sich mit den Gema-Plänen zwar noch nicht im Detail befasst. Doch Dehoga-Chef Kade stellte gestern Beispielrechnungen seines Verbands für eine 410 Quadratmeter-Diskothek mit zwei Öffnungstagen pro Woche vor – demnach würden sich die jährlichen Gema-Gebühren von 14 400 Euro auf 95 000 Euro erhöhen. Zeisig sagte, sollte die Gema tatsächlich Gebührensteigerungen von mehr als 500 Prozent für Diskotheken durchsetzen, „dann könnten wir nicht weitermachen“.

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