Landeshauptstadt: Per Pedales zum Posaunenklang
Fahrradkonzerte rund um Potsdam lockten hunderte Sommerfrischler zu den Musikfestspielen
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Ein kleiner Regenschauer lässt die Radtouristen nicht hadern. Zwischen dem Kutschstall am Neuen Markt und Schloss Caputh findet sich immer eine Gelegenheit, im Trockenen zu rasten. Das Forsthaus Templin wird zur ersten Station, an der sich Musik, Natur und Freizeitvergnügen die Hand reichen. 14 Konzerte an 21 historischen Orten locken an diesem Sonntag Sommerfrischler bei Frühlingswetter raus auf die Spuren von König Friedrich Wilhelm I. von Preußen.
Die Musikfestspiele Sanssouci und die Nikolaisaal Potsdam gGmbH haben zu Fahrradkonzerten eingeladen. Bevor die Ausflügler den Spuren folgen, schnattern Gänse am Neuen Markt. Gut equipiert geht es los Richtung Süden, Richtung Dresden, zum nächsten Herrscherhaus. Die Touristen aus dem Ruhrgebiet haben die erste Etappe geschafft und sitzen beim Potsdamer Bier am Forsthaus Templin. Sie erwarten das erste Konzert: Das Potsdamer Hornquartett mit romantischer Waldesmusik. Während des Schauers wird das Brauhaus besichtigt, mit den nächsten Sonnenstrahlen wird die nächste Etappe in Angriff genommen: Schloss Caputh.
Rund um den Schwielowsee sind die Musikfreunde leicht auszumachen: Der Fahrrad-Aufkleber auf Rucksack oder Packtaschen macht sie zu Teilnehmern am Rundkurs. Gelbe Warn-Leibchen erhöhen die Verkehrssicherheit. Drei Routen haben die Organisatoren der Musikfestspiele Sanssouci vorgeschlagen. Die größte Tour führt um den Schwielowsee an Schloss Caputh vorbei und ist nicht nur die längste: Musik und Natur, Geschichte und Kunst verbindet sie am intensivsten. Friedrich Wilhelm I. hat von hier aus vor 300 Jahren seine Jagdausflüge begonnen. ,,Dresdens Glanz trifft Preußens Gloria“.
Das Schloss begeistert auch die Kleinen. Viele junge Eltern sind mit Fahrradanhängern unterwegs. Auch wenn mal ein Steppke das Konzert quengelnd verlassen muss: Für das Hofkonzert mit Gambe und Laute von Christiane Garhardt und Daniel Kurz gibt es langen Beifall. Bleibt noch Zeit, erhaschen die zum Großteil aus Berlin kommenden Besucher einen Blick auf die 120 Jahre alten Aufnahmen der Marienburg in Westpreußen und die Hafenstadt Danzig.
Über den Hof geht es ins Kellergewölbe, den Sommerspeisesaal, wo die blau-weißen Delfter Kacheln nichts von ihrem Charme verloren haben. Es gibt eine Führung durch das Gebäude, kunsthistorische Erläuterungen der Gemälde folgen. Viel Personal sorgt sich um die Anliegen der Besucher. So wird die Radtour zum ganzheitlichen Kunstgenuss.
Auf den Spuren des Königs überqueren die Reisenden den See, der Weg windet sich weg von Dresden. Trockener Duft aufgestapelter Birkenscheide erfüllt die Wildmeisterei. Hölzerne Klänge schwirren durch das Gebäude. Martin Krause schlägt auf dem Marimbaphon eine Sarabande von Johann Sebastian Bach an, einem Zeitgenossen des Soldatenkönigs. Tafeln erläutern die Wichtigkeit des Waldes, ein ausgestopfter Keilerkopf liegt andächtig auf der Zuhörerbank.
Auf den hoppeligen Waldwegen sind manche Kinder eingeschlummert, die älteren stärken sich stilecht mit Wildbratwurst. So ist die Kunst mit viel Plagerei verbunden, die Etappen der Tour-de-Potsdam wollen bei möglichst wenig Wind und Regen bewältigt werden. Die kleinen Reisegruppen sammeln sich zu dritt oder viert und wollen noch mehr erleben: zum Neuen Palais, zum Bornstedter Friedhof führt der Weg, 30 Kilometer kommen zusammen. Die Konzerte des Nachmittags bleiben nur teilweise für jeden Einzelnen erlebbar. Die beiden Routen im Zentrum und Babelsberg-Drewitz-Stern müssen ein anderes Mal abgeradelt werden.
Nach mehreren Stunden wollen die meisten das Konzert wieder am Neuen Markt beschließen. Dieses Konzept der Fahrradkonzerte bei den Musikfestspielen ist ein Jahr alt. Im letzten Jahr erstmals erprobt, folgte dieses Frühjahr eine Auszeichnung für das Konzept: Zweiter Preis des Tourismus-Preises des Landes Brandenburg. ,,Wir finden das gut“, sagt Dieter Hütte, der oberste Vermarkter des Fremdenverkehrs im Land. Er ist mit Familie ganz privat auch einer der Freunde dieses Konzepts und hat die lange Route ausgesucht.
Drei Rundkurse mit Musik passend zum waldigen Terrain, zur Zeit des Soldatenkönigs und August des Starken, passend für Familien und Pedalisten, haben die Musikfestspiele angeboten. Zum Ende allerdings platzt der Regen doch so heftig nieder, dass beim Abschlusskonzert auf dem Neuen Markt viel Platz frei bleibt. Die strapazierten Waden und Pobacken der Teilnehmer dürfen sich endlich erholen: Zum Abschluss bewegen sich nämlich die Musiker, Marschmusik für Freunde von Rennmaschinen, Dreirädern und ganz gewöhnlichen Velos.
Thomas Wendel
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