Landeshauptstadt: Perfekte Windungen
Martin Schmidt baut, verkauft und repariert Blechblasinstrumente. Bis nach Japan hat er Trompeten geschickt
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Es ist ein bisschen wie beim Arzt. Wer zu Martin Schmidt kommt, darf zunächst im Vorraum wie in einem Wartezimmer Platz nehmen. Dann wird er aufgerufen, einzeln betreten die Kunden den Behandlungsraum mit den gepolsterten Tischen für die Patienten, einem Glasschrank mit Pflegemitteln und Zubehör. Und wenn das nicht hilft, geht der Patient stationär – in die Werkstatt nebenan.
Martin Schmidt, Metallblasinstrumentenbauer, kennt diese Assoziationen. „Das muss so sein, ich möchte mich jedem Kunden, egal ob kleinem Musikschüler oder berühmtem Profi, ganz in Ruhe widmen. Jeder wird ernst genommen“, sagt er. Dieter Bethke ist einer von ihnen. Der Potsdamer ist Lehrer an der Musikschule und spielt Posaune bei den Potsdamer Turmbläsern – und ist Stammkunde bei Martin Schmidt. Dieses Mal interessiert er sich für ein Tenorhorn. Das wäre was für seine Schüler, selbst junge Anfänger mit kurzen Armen könnten das halten, sagt er begeistert. Er hat das Horn bereits angespielt und war zufrieden. „Vielleicht wird das ein Leihinstrument“, sagt er. „Die Schüler machen den Vertrag dann direkt mit Meister Schmidt.“
Dem sind solche anerkennenden Worte fast etwas peinlich. Martin Schmidt, 53 Jahre alt, redet eher wenig. Er ist Handwerker. Als Jugendlicher spielte er Trompete, dann wurde ein Beruf daraus. In Markneukirchen im Vogtland, wo der Instrumentenbau traditionell angesiedelt ist, lernte er seinen Beruf, machte den Meister. Seit 28 Jahren führt er die Werkstatt mit Verkauf in Potsdam. Zunächst im Holländischen Viertel, doch der Bedarf war riesig und Schmidt zog vor acht Jahren an den Rand der Nauener Vorstadt in größere, helle Räume. Ohne unmittelbare Nachbarn, die das Probespiel seiner Kunden oder der Lärm aus der Werkstatt stören könnte. Mittlerweile arbeitet auch sein Sohn Lukas mit, eines Tages wird er die Werkstatt übernehmen.
Die Kunden kommen aus ganz Deutschland und manche selbst aus Übersee. Schmidt hat schon Instrumente nach Japan, Moskau oder in die USA verkauft. Gut verpackt, sagt er, ist das überhaupt kein Problem. Das Hauptgeschäft sind allerdings die Musiker vor Ort, in Potsdam und Berlin. Etwa fünf Blechblasspezialisten gibt es im Land Brandenburg, schätzt Schmidt. Er gilt als einer der besten in Deutschland und hat gut zu tun. Berufsmusiker bestellen bei ihm hochwertige Instrumente, lassen sie von ihm warten und bei Bedarf reparieren. Anfänger bekommen hier Beratung, wenn es um Einsteigerinstrumente geht und darum, wie man sie richtig pflegt. An der Pinnwand im Vorraum hängt schon die Ankündigung des nächsten Pflegekurses. Dann werden Trompeten, Posaunen oder Hörner auseinandergenommen und gereinigt, wird geölt, was geölt werden muss, und wieder zusammengebaut. Zubehör wie Taschen und Putzzeug, Mundstücke und Dämpfer gibt es direkt im Laden.
In deckenhohen Vitrinen stehen die wahren Schätze aufgereiht, Trompeten und Hörner verschiedenster Bauart und Größe, eine Augenweide aus leuchtendem Messing und sogenanntem Neusilber, einer Kupfer-Nickel-Zink-Legierung mit hoher Korrosionsbeständigkeit und Festigkeit. Die meisten stammen aus der eigenen Werkstatt, dazu kommen Instrumente, die Schmidt aus anderen, größeren, Werkstätten bezieht. Für alle Ansprüche – aber auch jedes Portemonnaie – soll etwas da sein, sagt er. Nicht jeder kann sich eine Martin-Schmidt-Trompete für etwa 1800 Euro leisten. Wer es dennoch tut, bekommt erste Ware. Fünf bis 15 Tage reine Arbeitszeit rechnet Schmidt für eine Trompete. 14 verschiedene Trompetenmodelle bietet er an. Manchmal geht er auf Sonderwünsche ein: Für eine technische Abweichung, einen extra Trigger, oder eine ergonomische Anpassung an die Hand des Besitzers. Im Verkaufsraum gibt es zum Probieren eine schallisolierte Kabine. Das Gästebuch der Internetseite ist voll mit lobenden Einträgen.
„Man braucht für den Beruf schon ein wenig handwerkliches Geschick“, sagt Schmidt und erklärt an einer alten Zeichnung, die einst ein Trompetenbauer angefertigt hat, wie nun eigentlich die Töne entstehen. Eine Tabelle listet die genauen Rohrlängen für sämtliche Töne. Schmidt erklärt: Je mehr Windungen die Luft nehmen muss, desto tiefer der Ton. Vor allem aber brauche man Gespür für das Material. „Man muss spüren, wie sehr das Material belastbar ist, wie weit man gehen kann beim Hämmern, Verformen und Ausbeulen, bevor etwas bricht oder reißt.“ In der Werkstatt finden sich die seltsamsten Werkzeuge. Stangen, Hämmer und Feilen sortiert nach Größen und Formen hängen an der Wand. Zwei riesige Werkbänke aus Hartholz nehmen den größten Platz ein, daneben stehen Kreissäge und Schleifmaschine. Zum Arbeiten werden die Instrumente manchmal mit dem Schalltrichter in ein halbrundes Sicheleisen am Schraubstock eingehängt, manchmal mit einer Schnur, die an der Decke befestigt ist, festgezurrt und gespannt. In einer Ecke steht eine Schrottkiste mit Teilen, für die es keine Verwendung mehr gibt. Potsdamer Künstler wie der Galerist Rainer Sperl holen sich hier Material für ihre Skulpturen.
Früher waren Blechblasinstrumente eine Männerdomäne, sagt Schmidt, heute spielen genauso viele Mädchen und Frauen. Es seien leicht zugängliche Instrumente. In Potsdam gibt es an den Schulen mehrere Bläserklassen, auch die betreut der Instrumentenbauer, genauso wie den Fanfarenzug. Hin und wieder bringen ihm Kunden auch alte Instrumente, die lange Zeit niemand nutzte und die irgendwo herumlagen. Wie eine große B-Tuba, die wieder spieltüchtig gemacht werden soll. Blechblasinstrumente, sagt Schmidt, werden mit dem Alter nicht unbedingt besser oder wertvoller wie beispielsweise eine Geige von Stradivari. Die Atemfeuchtigkeit zerfrisst das Material irgendwann. Und die Technik verändert sich, moderne Instrumente spielen sich einfach leichter, sind tongenauer. Alles, was älter ist als 100 Jahre, sagt Schmidt, ist im Grunde ein Liebhaberstück.
Am Hang 2-4, Tel. (0331) 295078
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