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Von Guido Berg: Peter Schüler ist neuer Stadtpräsident

Bürgerliche Mehrheit besteht „Lackmustest“: Birgit Müller von Die Linke abgewählt / Linke leitet künftig Bauausschuss

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Mit einer Überraschung begann gestern die konstituierende Sitzung der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung: Die gestärkte bürgerliche Mehrheit bat gestern auf gemeinsamen Antrag von SPD und Bündnisgrünen zum „Lackmustest“, wie einige Stadtverordnete die Wahl des neuen Vorsitzenden des Stadtparlaments umschrieben – und dieser färbte sich grün: Mit 29 Stimmen wählten die Stadtverordneten den bisherigen Bündnisgrünen Fraktionsvorsitzenden Peter Schüler zu ihrem Vorsitzenden. Die seit 1994 als Stadtverordnetenvorsitzende amtierende Birgit Müller (Die Linke) erhielt nur 24 Stimmen. Von den 56 Stadtverordneten waren 54 anwesend, somit wurden mit der Stimme des Oberbürgermeisters Jann Jakobs (SPD) 55 Stimmen abgegeben. Zwei Stimmzettel erwiesen sich als ungültig. Birgit Müller wurde im Nachgang als erste Stellvertreterin des Vorsitzenden gewählt, sie erhielt von den 55 Stimmen bei drei ungültigen Voten 46 Ja-Stimmen. Lediglich sechs Stadtverordnete votierten gegen sie.

Nach seiner Wahl übernahm Peter Schüler den Vorsitz vom 1934 geborenen und damit ältesten Stadtverordneten Herbert Schlomm (Die Linke), der die Konstituierung der bis 2014 arbeitenden neuen Stadtverordnetenversammlung einleitete. Peter Schüler dankte den Stadtverordneten, die ihn gewählt haben für den großen Vertrauensvorschuss und versprach, das Vertrauen derer erwerben zu wollen, die ihn nicht gewählt haben. Birgit Müller sei ihm „stabil und sicher im Amt vorausgegangen“. Schüler: „Sie haben Maßstäbe gesetzt.“ Er werde es nicht einfach haben, sich an diesen Maßstäben messen zu lassen. Oberbürgermeister Jakobs sagte, jeder habe sich in schwierigen Zeiten auf Birgit Müller verlassen können. „Sie hat das Amt geprägt“, so der Oberbürgermeister. Selbst kontroverse Debatten habe sie mit großer Fairness geleitet.

Der neue Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung ist 56 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Peter Schüler sagte, von den Berufen, die er gelernt habe, wolle er nur zwei nennen: Physiker und Rechtsanwalt; Beides habe er von Anfang bis Ende studiert und auch praktiziert. Auf Frage des Stadtverordneten Lutz Boede (Die Andere), wie er es mit den Minderheitsrechten halte – Boede spielte damit auf den Verlust des Fraktionsstatus von Die Andere an – sagte Schüler: Er habe großes Augenmerk für die, die sich in der Minderheit wähnen. Schüler hatte vor seiner Wahl dem Plenum angekündigt, sein Fraktionsvorsitz aufzugeben. Wie er den PNN sagte, soll der 30-jährige Nils Naber Vorsitzender der bündnisgrünen Stadtfraktion werden. Als stellvertretende Fraktionschefin ist Marie Luise von Halem nominiert.

Als zweiten Stellvertreter von Peter Schüler wählte das Stadtparlament mit 37 Ja- und 17 Nein-Stimmen Hannelore Knoblich (SPD). Eine Stimme war bei ihrer Wahl ungültig. Dritter Stellvertreter wurde Wolfgang Cornelius (CDU) mit 39-Ja bei 16-nein-Stimmen. Mit 37 Ja- und 16-Nein-Stimmen wählten die Stadtverordneten Björn Teuteberg (FDP/Familienpartei) als vierten Stellvertreter ins Präsidium.

Hans-Jürgen Scharfenberg, Vorsitzender der Stadtfraktion der Linkspartei, wusste offenbar, was auf die Linken zukommt: „Manche Sachen schweigen sich herum.“ Dennoch zeigte er sich verärgert über die Abwahl der Stadtpräsidentin Birgit Müller. Er finde die Verfahrensweise „bedenklich“. Anderswo sei es selbstverständlich, dass die stärkste Fraktion den Parlamentsvorsitzenden stellt.

In der neuen Stadtverordnetenversammlung stellt die Linksfraktion 17 Stadtverordnete, die SPD 15, die gemeinsame Fraktion von CDU und Aktionsbündnis Nord-West acht, die Bündnisgrünen fünf und die Fraktion aus FDP und Familienpartei ebenfalls fünf Stadtverordnete. Für den mit zahlreichen Rechten ausgestatteten Fraktionsstatus sind laut neuer Kommunalverfassung vier Stadtverordnete nötig. Somit bleibt Die Andere mit drei Stadtverordneten und das Bürgerbündnis mit zwei Mandaten der Fraktionsstatus verwehrt.

Im Verlaufe des gestrigen Abends musste Scharfenberg noch eine weitere Niederlage einstecken – errang aber auch einen Sieg. Zunächst sprach sich Scharfenberg gegen einen fraktionsübergreifenden Antrag aus, die Mitglieder in den Stadtverordneten-Ausschüssen auf sieben zu reduzieren. „Ich denke, eine größere Stadtverordnetenversammlung, die im gleichen Zuge die Ausschüsse verkleinert, macht etwas falsch.“ Scharfenberg: „Das wahre Leben findet in den Ausschüssen statt.“ Der Linksfraktionschef verwies auf einen siegreichen Antrag von CDU-Fraktionschef Michael Schröder, der den Ordnungs- und Umweltausschuss auf elf Mitglieder vergrößert sehen wollte, weil dieser künftig auch die Politikfelder Klimaschutz und Ländliche Entwicklung bearbeiten wird. Scharfenbergs kurze Formel, die jedoch keine Mehrheit fand: „Mehr Mitglieder, mehr Leistung.“

Als Vorteil jedoch darf gelten, dass die Linksfraktion einer Einigung der Fraktionschefs zufolge künftig den Vorsitzenden des Stadtentwicklungs- und Bauausschuss haben werden. Bisheriger Ausschussvorsitzender war Christian Seidel (SPD). Ferner wird die Linke den Vorsitz im Kultur- und im Ausschuss für Gesundheit und Soziales haben. Die SPD leitet den Ausschuss für Klima-, Umweltschutz, Ordnung und ländliche Entwicklung (KUL), den Finanzausschuss und den Ausschuss für Eingaben und Beschwerden. Den Vorsitz im Rechnungsprüfungsausschuss übernimmt die Fraktion FDP/Familienpartei. Die CDU/ANW-Fraktion steht dem Ausschuss für Bildung und Sport vor. Den Hauptausschuss wird wieder Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) leiten.

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