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Hausmannskost. Pferdeknacker mit Gurke und Brot bestellen die Gäste von Mareike Metz am liebsten. Ihre Innenstadt-Kneipe „Zum Fass“ hat sich auf Gerichte mit Pferdefleisch spezialisiert – schon unter den Großeltern der heutigen Wirtin.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Pferdeknacker sind der Renner

Wo früher Potsdams Rossschlächter arbeitete, serviert Mareike Metz Pferdespezialitäten: ein Besuch in der Kneipe „Zum Fass“

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Die Bouletten hat Mareike Metz vorsichtshalber gleich aus dem Sortiment genommen. „Damit ich nicht darauf sitzen bleibe“, sagt die Potsdamer Gastronomin. Die Nachrichten über Pferdefleisch in Lasagne-Hack oder Döner, die in den vergangenen Tagen republikweit für einen Aufschrei gesorgt haben, haben die Betreiberin der Innenstadt-Kneipe „Zum Fass“ unruhig werden lassen. Nicht etwa, weil sie ihre Gäste vor möglichem Pferdefleisch im Essen schützen wollte.

Denn Pferdefleisch ist bei Mareike Metz garantiert drin. Im Gegensatz zur Lasagne oder dem Döner steht das aber auch außen drauf. Zwei Tafeln vor der Gaststätte in der Charlottenstraße 22 werben unter anderem für Pferderoulade mit Rotkohl und Kartoffeln – eine Portion kostet 10,80 Euro – oder für ein Pferdegulasch – 9,50 Euro. Die aktuellen Diskussionen, sorgte sich die Wirtin, könnten ihr trotzdem Gäste abspenstig machen. Und das, wo es in der Charlottenstraße wegen der andauernden Bauarbeiten momentan ohnehin nicht besonders gut läuft (PNN berichteten). Aber die Befürchtungen waren bislang unbegründet: „Am Freitag sind sogar neue Gäste gekommen, die extra Pferdefleisch probieren wollten“, erzählt Mareike Metz.

In ihrem Gasthaus hat das Tradition. In dem Barock-Bürgerhaus war schon vor dem Zweiten Weltkrieg eine Rossschlächterei untergebracht. Die Großeltern der heutigen Wirtin – Richard und Liselotte Denkewitz – kauften den Betrieb nach dem Krieg. Damals war Pferdefleisch die billigere Alternative zum Rind, erzählt die runde Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt. Das hat sich über die DDR-Zeit verändert, Pferdefleisch wurde teurer oder war nicht mehr erhältlich. Noch in den 1960er Jahren richteten ihre Großeltern ein Restaurant mit Pferdespezialitäten in der nahegelegenen Brandenburger Straße ein, 1977 eröffnete das Wirtshaus dann neu in der mittlerweile geschlossenen Schlächterei.

Urig ist die Kneipe heute eingerichtet, mit viel dunklem Holz, auch einige Hufeisen zieren die Wand. „Schaust Du nach den Rouladen?“, ruft Mareike Metz in Richtung Küche. 1989 hat die Potsdamerin im Geschäft ihres Vaters angefangen. Als der 2001 aus gesundheitlichen Gründen aufhörte, übernahm sie die Gaststätte. „Wir haben gleich nach der Wende wieder mit Pferdefleisch begonnen“, erzählt sie. Damit hat sie ein Stammpublikum gefunden: Die Hausmannskost zu moderaten Preisen ist bei Arbeitern und Handwerkern als Mittagstisch beliebt. Aber auch Neugierige finden den Weg in die Kneipe. Die Älteren, sagt Mareike Metz, kennen Pferdefleisch noch von früher. Der Verkaufsschlager im „Fass“ sind die Pferdeknacker, erzählt die Wirtin. Aber auch Roulade oder Gulasch werde gern bestellt.

Ihr Fleisch bezieht die Potsdamerin seit Jahren von einem Pferdemetzger aus Berlin. „Das kann ich mit gutem Gewissen verkaufen, das geht unter ständigen Kontrollen raus“, sagt sie. Geschlachtet werden Pferde, die nur dafür auf Pferdehöfen gehalten werden, aber auch verunglückte Tiere – etwa Pferde, die sich ein Bein gebrochen haben.

In Potsdam gibt es heute keine Pferdemetzgerei mehr, wie eine Nachfrage bei der Fleischerei-Innung ergab. Deutschlandweit soll es nur noch rund 100 Pferdemetzgereien geben. Der Aufschrei über den Lasagne-Skandal ist auch Beleg für die gewachsene Skepsis gegenüber dem Verzehr von Pferdefleisch. Der Anteil von Pferd beim Fleischkonsum der Deutschen ist verschwindend: Laut Statistischem Bundesamt machten Pferde gemeinsam mit Schafen und Ziegen 2012 nur 0,3 Prozent der gewerblichen Fleischerzeugung aus. 3400 Pferde kamen demnach zum Schlachter. In der gleichen Zeit wurden mehr als 58 Millionen Schweine und mehr als 36 Millionen Kühe geschlachtet. Und: Nicht einmal alles Pferdefleisch wird von Menschen gegessen. Bei Hundehaltern gilt das Füttern von Pferdefleisch mittlerweile als Tipp gegen Allergien bei den Vierbeinern.

Dabei war Pferd in Deutschland nicht immer so unbeliebt: Der Rheinische Sauerbraten etwa wird sogar traditionell mit Pferdefleisch zubereitet. Allerdings herrschte in weiten Teilen Europas auch mehr als 1000 Jahre – vom 8. bis zum 19. Jahrhundert – ein vom Papst verhängtes Pferdefleischverbot, über dessen Gründe bis heute gestritten wird.

Mareike Metz kann die hochgezogenen Augenbrauen jedenfalls nicht verstehen. „Pferdefleisch ist zarter als Rindfleisch, es hat weniger Fett“, erklärt sie. Und es sei auch gesünder und reiner: „Ein Pferd frisst nur Hafer, ein Schwein frisst fast alles“, fasst die Gastronomin zusammen.

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