Etwas HELLA: Pfiffigkeit und teurer Dreck
Die Mainzer sind ein fröhliches Völkchen, speziell in der fünften Jahreszeit. Ich wage allerdings zu bezweifeln, dass das an der billigen Müllentsorgung liegt.
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Die Mainzer sind ein fröhliches Völkchen, speziell in der fünften Jahreszeit. Ich wage allerdings zu bezweifeln, dass das an der billigen Müllentsorgung liegt. Die kostet dort nämlich nur 144 Euro pro Tonne und Jahr, während in Potsdam dafür 554 Euro fällig sind – behauptet jedenfalls eine aktuelle Studie. Das gilt für den wöchentlichen Vollservice. Die Pimperlinge hinter dem Komma beim Preis habe ich mal weggelassen. Ich glaube auch nicht, dass die Potsdamer öfter muffig drauf sind, weil sie so viel für ihren Müll bezahlen müssen, weil die Preise im öffentlichen Nahverkehr ab 2017 kräftig steigen und auch schon eine Erhöhung der Strompreise durch die Stadtwerke angekündigt ist. Sie sind einfach mehr so bodenständig minderfröhlich.
Es hebt allerdings die Stimmung bis zur Ausgelassenheit, wenn man den teuren Dreckentsorgern ein Schnippchen schlagen kann: durch Mülltrennung, bis die Finger wehtun! Hoffentlich machen meine Bemühungen, auch die Nachbarn von solch edlem Tun zu überzeugen, nicht einen genauso müden Eindruck wie die Reaktion der Stadtverwaltung auf ihr schlechtes Abschneiden im Städteranking. Da wir Gemeinschaftsmülltonnen haben, zahle ich nämlich für alle Mülltrennmuffel mit. Mein Mülltrennkurs wird deshalb aufgelockert durch Glühwein und Knacker auf Grünkohl. Danach wird agitiert: Plastik und Metall, selbst Schnipselchen und Kronkorken, in die gelbe Tonne, Papier in die blaue. Auch Flaschen, selbst wenn man durch deren Ausleeren noch etwas verkatert ist, werden nicht einfach um die Ecke geschafft. Jeder Gang macht schlank und manchmal hilft er auch beim Ausnüchtern. Außerdem scheppert es so schön, wenn Flaschen oder Einweckgläser im Glascontainer verschwinden. Das Befüllen all dieser Tonnen ist kostenneutral. Essensreste und Blumenstrünke, das muss bezahlt werden, kommen natürlich in die braune Tonne. Da kann man zur Not nachstampfen, wenn sie überquillt.
Leider ist dieses Sparprogramm noch nicht überall angekommen, nicht mal bei meinem Vermieter, der die Anzahl der schwarzen Tonnen ruhig weiter reduzieren könnte. Und dann wäre es schön, wenn der Müllplatz endlich abschließbar wäre. So weit geht meine Freude an der Müllvermeidung nämlich nicht, dass ich mich täglich quer vor die Schwarzen lege und jeden Fremd- und Falschentsorger des Platzes verweise.
Was die Strompreise betrifft, da hatte ich immer ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil ich da fremdgehe. Ich dachte immer, mit dem hohen Strompreis füllen die Stadtwerke andere defizitäre Teile ihres Firmenimperiums auf. Aber dem ist überhaupt nicht so. Es wird wohl einfach nur generell schlecht gewirtschaftet. Und so halte ich nun fröhlich und gewissenlos dagegen: Wer wechselt, hat mehr vom Leben und in der Brieftasche. Er kriegt sogar noch einen – leider nur einmaligen – Wechselbonus. Es soll Leute geben, die ändern deshalb jedes Jahr den Energieanbieter. Mir ist das zu stressig. Ich brauche meine Energie für die Mülltrennung und für Potsdam, wenn es doch mal singt und lacht!
Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam
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