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Landeshauptstadt: Pflegekinder jahrelang misshandelt?

Prozess gegen Ehepaar angesetzt: Jugendämter im Landkreis und Potsdam waren für Familie zuständig

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Neu Fahrland - Die Vorwürfe sind ungeheuerlich: Drei Kinder aus Neu Fahrland sollen von ihren Pflegeeltern über Jahre hinweg misshandelt, gequält und erniedrigt worden sein. Das Ehepaar muss sich nun ab dem 30. April vor dem Amtsgericht wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Das teilte das Gericht mit.

Die mutmaßlichen Taten liegen laut Gerichtssprecher Wolfgang Peters schon Jahre zurück und sollen sich zwischen Oktober 1999 und November 2004 abgespielt haben. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft werfe dem Paar vor, die 1986, 1988 und 1989 geborenen Kinder unter anderem gezwungen zu haben, Erbrochenes und Kot zu essen und Urin zu trinken. Zudem sollen die Kinder geohrfeigt und mit Gegenständen geschlagen worden sein, lauten Peters zufolge weitere Vorwürfe.

Warum diese Vorwürfe den Ämtern über Jahre nicht bekannt wurden, auch bei Kontrollen offenbar nichts auffiel, ist bisher unklar. Für die Zuweisung der Kinder in ihre Pflegefamilie verantwortlich war ursprünglich das Jugendamt des Landkreises Potsdam-Mittelmark, zu dem der Ortsteil Neu Fahrland bis 2003 gehörte. Landkreis-Sprecherin Andrea Metzler konnte am Dienstag Fragen der PNN zu dem Fall, etwa auf welcher Grundlage die Familie die Kinder bekam, nicht beantworten – viele damalige Mitarbeiter seien schon nicht mehr beschäftigt und Recherchen in den Akten-Archiven notwendig. Dies sei nun veranlasst worden. Über das Ergebnis werde informiert, so Metzler.

Nach der Eingemeindung Neu Fahrlands wurde Potsdams Jugendamt zuständig. Bereits 2004 – also ein Jahr später – endete laut Stadtsprecher Jan Brunzlow das Pflegeverhältnis, als das letzte der Pflegekinder volljährig wurde. Die Vorwürfe selbst seien erst Mitte 2010 bekannt geworden, sagte Brunzlow den PNN. Damals habe sich eines der ehemaligen Pflegekinder, eine junge Frau, der Polizei anvertraut. An dieser Stelle wird die Konstellation kompliziert: Diese Frau lebte nach PNN-Informationen damals mit mittlerweile vier eigenen Kindern bei dem angeklagten Ehepaar aus Neu Fahrland, die Hintergründe dazu sind unklar. Und auch eines der kleinen Kinder der Frau soll noch 2008 misshandelt worden sein – dieser Vorwurf betreffe die angeklagte 65-jährige Frau, sagte Gerichtssprecher Peters. Das Kind soll damals erst drei Jahre alt gewesen sein.

Stadtsprecher Brunzlow sagte, nach Bekanntwerden der Vorwürfe habe das Jugendamt beim Amtsgericht einen Antrag auf Überprüfung der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter und den Verbleib der Kinder bei den früheren Pflegeeltern gestellt. Anfang September 2011 sei den Kindseltern das Sorgerecht entzogen und die Vormundschaft auf das Jugendamt übertragen worden. Zu weiteren Details wolle man sich im Vorfeld der anstehenden Verhandlung nicht äußern, sagte Brunzlow. Nach PNN-Informationen soll die Mutter, die einst bei der angeklagten Pflegefamilie lebte, seit Anfang 2012 mit ihren vier Kindern in einer betreuten Mutter-Kind-Einrichtung untergebracht sein.

Für den Prozess gegen das Paar, den Richterin Birgit von Bülow leiten wird, sind zunächst drei Tage angesetzt, das Urteil könnte am 14. Mai fallen. Laut Strafgesetzbuch können wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen und gefährlicher Körperverletzung bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden.

Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe. Den 52-jährigen Mann vertritt der Potsdamer Anwalt Bernd Dietze. Er sagte den PNN, auf seinen Mandanten beziehe sich nur ein kleinerer Vorwurf – und dieser werde bestritten. Die 65 Jahre alte Frau wird von dem Potsdamer Anwalt Thomas Bosdorf verteidigt. Er sagte, die Vorwürfe gegen seine Mandantin würden nicht eingeräumt und in Abrede gestellt. Da er noch kein abschließendes Gespräch mit der Frau geführt habe, könne er sich zu Details noch nicht äußern, sagte Bosdorf.

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