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Landeshauptstadt: Pförtnerampeln helfen nicht gegen giftiges Gas

Durch Verkehrssteuerung weniger Feinstaub, aber weiter Dauerbelastung durch Stickstoffdioxid

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Potsdams neue Verkehrssteuerung und die Pförtnerampeln zeigen Wirkung:  Die Luftqualität an den Hauptverkehrsstraßen hat sich verbessert. Allerdings gilt das nicht für alle Schadstoffe. Im Gegensatz zum Feinstaub ist die Belastung beim Stickstoffdioxid nach den Messdaten des brandenburgischen Landesumweltamtes kaum zurückgegangen. Betroffen sind die stark befahrene Zeppelinstraße und die Großbeerenstraße. Beide gehören zu den Straßen, auf denen die umweltorientierte Verkehrssteuerung wirken soll.

Seit Mitte April versucht Potsdam, der Luftverschmutzung mit dem System aus 50 Messstellen und 30 computergesteuerten Ampeln zu begegnen. Die Verkehrssteuerung wurde vom Land mit 2,3 Millionen Euro gefördert. Auf mehreren Einfallstraßen wird der Verkehrsfluss dosiert, wenn die Schadstoffbelastung steigt: Die Pförtnerampeln zeigen dann länger rot, lassen keinen neuen Verkehr in die Stadt. Eine „Grüne Welle“ soll zudem den Verkehr abfließen lassen. Die Kommunen sind gesetzlich verpflichtet, etwas gegen die Schadstoffbelastung zu unternehmen, wenn regelmäßig Grenzwerte überschritten werden.

Beim krebserregenden Feinstaub zeigen sich in Potsdam Erfolge. Im vergangenen Jahr wurde der Grenzwert in der Zeppelinstraße an 55 Tagen überschritten – erlaubt sind 35 Überschreitungen pro Jahr. In diesem Jahr sind es an der gleichen Stelle bisher 16 Tage mit überhöhten Feinstaubwerten. Seit die Pförtnerampeln denVerkehr drosseln, ist nur ein Tag hinzugekommen. In der Großbeerenstraße wurde der Feinstaub-Grenzwert überhaupt nicht mehr überschritten.

Anders sieht es jedoch beim Stickstoffdioxid aus. Zwar ist hier der Grenzwert für den Ein-Stunden-Mittelwert nur an zwei Tagen in diesem Jahr überschritten worden – damit ist die Messstelle in der Großbeerenstraße allerdings die einzige im ganzen Land Brandenburg, an der das passierte. Die Potsdamer Einfallstraßen sind dauerhaft mit Stickstoffdioxid belastet. Das geht aus den Monatsmittelwerten hervor: Diese liegen in der Zeppelin- und der Großbeerenstraße in acht von neun Monaten oberhalb von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Damit ist schon jetzt absehbar, dass Potsdam wie in den vergangenen Jahren den zulässigen Jahresmittelwert überschreiten wird – und das trotz der Verkehrssteuerung.

Eine Erklärung der Stadt, warum die Grenzwerte weiterhin überschritten werden und was dagegen getan wird, war auf Anfrage bisher nicht zu erhalten. Mögliche Ursachen finden sich jedoch im statistischen Jahresbericht. Ende vergangenen Jahres waren in Potsdam mehr als 6000 Autos mehr zugelassen als im Jahr 2007. Das liegt nicht nur am Einwohnerzuwachs: In der Landeshauptstadt steigt die Zahl der Fahrzeuge pro 1000 Einwohner seit fünf Jahren an. Während es im benachbarten Berlin immer weniger Autos gibt, geben die Potsdamer mehr Gas. Hinzu kommen Einpendler aus dem Umland. Insgesamt sind in Potsdam mehr als 66 000 Pkw angemeldet. Davon sind fast 22 000 älter als zehn Jahre. Fast 20 000 weitere sind zwischen fünf und zehn Jahre alt.

Erst ab September 2014 schreibt die Euro-6–Norm einen geringeren Ausstoß an Stickstoffdioxid für neue Autos vor. Dann wird sich die Potsdamer Autoflotte zwangsweise mit saubereren Autos erneuern. Beschleunigen könnte die Stadt die Erneuerung der Autoflotte allerdings durchaus, sagt Werner Reh vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Dafür müsste sie aber eine Umweltzone einführen. Das erhöhe den Kaufanreiz für schadstoffärmere Autos, so Reh. In Berlin ist der Ausstoß an Stickoxiden seit dem Start der Umweltzone deutlich gesunken.

Doch in Potsdam stoßen bereits die Pförtnerampeln auf Kritik. Zuletzt hatten die CDU sowie der ADAC eine Abkehr von den Pförtnerampeln gefordert. Ende August hatte es wegen teils kilometerlanger Rückstaus auf der Bundesstraße 1 von der Stadtgrenze bis nach Geltow sogar einen Krisengipfel im Rathaus gegeben. Die Gemeinde Schwielowsee fürchtet um den Status als Erholungsort für Geltow, wenn die Autos weiterhin die Ortsdurchfahrt verstopfen. „Abschalten ist keine Alternative“, erklärte jedoch der Verkehrsbeigeordnete Matthias Klipp auf Anfrage des Stadtverordneten Ralf Jäkel (Linke). Leisten könnte sich die Stadt einen Sinneswandel ohnehin kaum. In diesem Fall würde die Rückforderung der Fördermillionen durch das Land drohen. Außerdem könnte es Ärger mit der Europäischen Kommission geben, wenn Potsdam die Messlatte beim Feinstaub wieder reißt. Wenigstens dieses Problem hat die Stadt beim Stickstoffdioxid vorerst nicht. Die EU hat die Frist für die Einhaltung der Grenzwerte bis 2015 aufgeschoben.

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