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Landeshauptstadt: Piecks Präsidentenboot

Der Potsdamer Werner Heuser rettete die erste DDD-Staatsyacht und baut sie zum Hausboot aus

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Die erste DDR-Staatsyacht, mit der Präsident Wilhelm Pieck und Ministerpräsident Otto Grotewohl über die märkischen Gewässer schipperten und dabei Gespräche mit Staatsgästen führten, hat in Potsdam einen neuen Heimathafen gefunden. Werner Heuser, den Potsdamern als Betreiber der Motorradstation für Harley-Davidson nahe der Glienicker Brücke bekannt, hat das Schiff aufgekauft. Es war Anfang der 1950er Jahre in der seit 1890 bestehenden Köpenicker Werft des Bootsbauers Claus Engelbrecht vom Stapel gelaufen, die 1956 als VEB Yachtwerft Berlin verstaatlicht wurde. Gleichzeitig entstanden zwei Schwesterschiffe, die im Ostseeraum eingesetzte „Störtebecker“ und ein an die Sowjetunion geliefertes Boot. Viel mehr weiß Heuer nicht über deren Geschichte, weil es kaum Unterlagen gibt. Deshalb ist er für jeden Hinweis dazu dankbar.

Die „Albin Köbis“, so wurde die Yacht nach einem hingerichteten Anführer des Kieler Matrosenaufstand von 1917 benannt, weist den eleganten, in den 1930er Jahren entwickelten „Engelbrecht- Schnitt“ auf. Ihr 20 Meter langer Stahlrumpf bietet einem Konferenzraum und einem Sonnendeck Platz, das bei Regen mit einer Plane überzogen werden konnte. Mittschiffs liegen die winzige Kapitänskajüte, Miniküche und WC. Im Bug sind die Schlafstätten für die zweiköpfige Besatzung untergebracht. Für den Ausbau des Schiffs und die Möblierung war edles Tropenholz verwendet worden.

Als die Treuhand Anfang der 1990er Jahre die Yacht versteigerte, wurden noch 180 000 DM geboten. Heute ist sie nur noch einen Bruchteil davon wert. Mehrfach wechselte sie die Eigner, die mit dem Schiff nicht zurecht kamen. Einer ließ es sogar absaufen. Wieder gehoben, erhielt es auf der Werft des Berliner Originals Hans Möritz das Gnadenbrot. Er zeigte die „Albin Köbis“ seinem Bekannten Werner Heuser. Der wusste sofort: Damit kann ich mir den seit der Kindheit am Niederrhein gehegten Traum vom eigenen Hausboot erfüllen.

Die Yacht wurde vorsichtig, da sie zu sinken drohte, über den Wannsee zunächst auf Höhe des Potsdamer art“otels geschleppt und liegt heute vor Hermannswerder. Dort wurde sie auf Land gebracht, um ihren Unterboden instand zusetzen. „An einer Stelle fuhr der Sandstrahl, mit dem wir die Oberfläche entrosten wollten, durch den verrotteten Stahl in das Boot und auf der anderen Seite wieder heraus“, erinnert sich Werner Heuser an eine der vielen Schrecksekunden.

Inzwischen hat die „Albin Köbis“ wieder Wasser unter dem Kiel. Am Wochenende und jeden Montag, wenn er seinen freien Tag hat, werkelt der Eigner an der Erfüllung seines Traums. Als gelernter „Motorschrauber“, wie er sich nennt, versteht er sich auf Metallarbeiten. Und er hat natürlich gleich erkannt, dass die beiden 190 PS starken H6-Motoren aus Schönebeck nicht mehr zu reparieren sind und ersetzt werden müssen.

Schwerer fallen Heuser die Holzarbeiten, bei denen er sich manchmal von einem Kumpel helfen lässt, der Bootsbauer ist. Zusammengerechnet 500 Meter Strecke waren allein bei der Reparatur des aus Pitchpine, einer zentralamerikanischen Kiefernart, bestehenden Deckparketts und dessen Fugen zu bewältigen. Fast noch mehr zu tun bleibt im Inneren. Nachdem das Boot gesunken war, wurden die durchfeuchteten Einbauten und Möbel für Pilze und andere Holzschädlinge zum gefundenen Fressen. Beispielsweise hätte Werner Heuser gern einen Mahagonischrank erhalten, doch der zerfiel ihm beim Versuch der Aufarbeitung unter den Händen.

So kann er seine Zielsetzung, die Staatsyacht innerhalb von fünf Jahren zu einem Hausboot auszubauen, nicht erreichen. „Macht nichts, die DDR hat ihre Fünfjahrespläne auch nie erfüllt“, zeigt sich Werner Heuser unbeirrt. „Hänge ich eben noch ein paar Jahre dran.“ Ganz sicher ist sich der 47-Jährige nicht, ob er sein Vorhaben durchsteht, zumal ihm die Finanzierung Probleme bereitet. „Auf jeden Fall aber werde ich sagen können, dass ich um meinen Traum gekämpft habe ...“

Erhart Hohenstein

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