PYAnissimo: Piepen bis der Arzt kommt
Ein Bekannter von mir will ein Haus bauen und lernt die örtliche Verwaltung nun ganz neu kennen. Wenn ich ihm zuhöre, dann glaube ich, die Vorbereitungsphase dauert dreimal so lang wie der eigentliche Bauprozess.
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Ein Bekannter von mir will ein Haus bauen und lernt die örtliche Verwaltung nun ganz neu kennen. Wenn ich ihm zuhöre, dann glaube ich, die Vorbereitungsphase dauert dreimal so lang wie der eigentliche Bauprozess. Und macht ihn vielleicht dreimal so fertig. Und arm. Denn für jeden Wisch, jeden Antrag, Eintrag, Auskunft oder was auch immer, sei eine Extragebühr fällig. Wofür wird so ein Verwaltungsapparat eigentlich bezahlt, also grundsätzlich, hat er sich gefragt – fürs Rumsitzen und auf Kundschaft warten?
Ich weiß, wofür. Ich bin nämlich jetzt Beschwerdeführerin. Amtlich bestätigt. Die Verwaltung beschäftigt sich mit mir. Es geht auch hier um eine Baustelle. Auf der anderen Seite unserer Straße entstehen nämlich ein paar neue Häuser mit ein paar neuen Wohnungen. Im Frühjahr begann das Abholzen des Waldes, dann kam das Buddeln. Seitdem haben wir Nachbarn, und das sind nicht wenige, einen Tinnitus. Denn so ein Bagger oder Frontlader, Kipper, Raupe, Verdichter oder was weiß ich, es gibt so unendlich viele, die da rumackern, der macht nicht nur den normalen Lärm eines angestrengten Dieselmotors, Grab-, Rumpel und Schürfgeräusche. Er piept auch, wenn er rückwärts fährt. Und das tut er oft, den ganzen Tag lang. Zarte Nachfragen beim Landesumweltamt, ob das denn sein muss, brachten nichts. Das sei eine Arbeitsschutzmaßnahme, hieß es. Haben wir den Sommer über also nicht auf der Terrasse gefrühstückt. Und für die Samstage, auch da wurde ab sieben Uhr gepiept, habe ich Ohropax besorgt.
Jetzt aber, angesichts der letzten Spätsommertage, wagte ich einen neuen Versuch. Die Dame beim Umweltamt kannte die Baustelle schon, ich sei nicht die erste Beschwerdeführerin, plauderte sie aus, selbst der RBB, der daneben sitzt, habe schon angerufen, vor Wochen. Aha, dachte ich. Vor Wochen. Sie wolle sich gern noch mal drum kümmern. Tatsächlich muss es dann einen Anruf auf der Baustelle gegeben haben, ein Baggerfahrer stellte das Piepen nämlich auf ein Fauchgeräusch um. „Geht alles“, sagte er ganz glücklich über den Baustellenzaun hinweg. Der Rest der Truppe piepte allerdings weiter.
Ich rief also wieder an. Jetzt war ich vorbereitet. Mit Arbeitsschutz habe das wohl wenig zu tun, wenn alle auf der Baustelle verrückt werden. Und eh nur noch mit Gehörschutz arbeiten. Ich schickte sogar eine Studie an die Sachbearbeiter, in der steht, dass das Piepen umwelt- und gesundheitsschädlich ist. Die Dame sagte, sie müsse das erst mit ihrem Team besprechen. Dann rief sie zurück. Man werde das jetzt prüfen, Ende der Woche eine Baustellenbegehung machen, den Lärm messen und alles berechnen. Vielleicht wird dann dem Bauherren eine Auflage erteilt. Er habe dann ein oder zwei Wochen Zeit, darauf zu reagieren.
Boah. Es passierte was! Allerdings war gestern Grundsteinlegung, wahrscheinlich sind die Bagger längst über alle Berge und piepen anderswo. Am 22. September ist übrigens Tag der Gehörlosen.
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg
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