Landeshauptstadt: Piraten im Wald
Dreizehn „Bergkinder“ trotzen der Kälte und spielen täglich im Wald – zur Freude der Eltern
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Teltower Vorstadt – Piraten sind in den Wäldern um die Siedlung Eigenheim unterwegs. „Wir wollen eine Piratenhöhle bauen. Hilfst du mal?“ Mikaela sucht jemanden, der den Ast festhält. Währenddessen sägt die Fünfjährige eifrig das Holz entzwei. Die eisige Kälte merkt sie nicht. Rot leuchten die Wangen aus dem Skianzug heraus, die Augen glühen vor Tatendrang, die Behausung fertigzustellen.
Kinderpädagogik unter Extrembedingungen könnte man meinen – aber es ist kein Camp für Schwererziehbare. Die Eltern der Kinder – die sich in der Initiative „Bergkinder“ zusammengeschlossen haben – wollen genau diesen naturpädagogischen Ansatz bei Wind und Wetter. Und den Kindern gefällt’s. „Im Wald zu sein, ist toll“, sagt David. Täglich gehen er, Mikaela und elf weitere „Bergkinder“ in die Natur. Treffpunkt ist zwischen 8 und 8.40 Uhr. Dann geht es in den Wald hinter der Siedlung Eigenheim. Für Nachzügler werden Pfeile aus Ästen auf die Wege gelegt. „Eigentlich bleiben wir den gesamten Vormittag draußen. Auch das Frühstück wird individuell im Wald abgehalten. Nur zum Mittagessen und den anschließenden Ruhestunden geht es in die zwei Gruppenräume in der Käthe-Kollwitz-Oberschule.
Begonnen hat der besondere kinderpädagogische Ansatz aus einer Notlage heraus. „Viele Eltern wohnen um den Brauhausberg“, erzählt Tine Frey, die im Vorstand der Initiative „Bergkinder“ sitzt. „Dort hat sich die Kinderzahl in wenigen Jahren verdoppelt, aber eine Kindereinrichtung vor Ort gibt es trotzdem nicht. Die nächstgelegenen Kitas liegen mindestens eine halbe Stunde Fußweg entfernt. „Deshalb wollten wir in der Nähe der Albert-Einstein-Straße selbst ein Angebot aufziehen.“ Doch bislang habe sich kein geeignetes Gelände mit ausreichend Waldfläche gefunden. So arbeitet man derzeit mit Interims-Lösungen. Erst hatten sich die Bergkinder in der Kita „Spatzenhaus“ eingemietet, nun sind sie für die kommenden zwei Jahre in der Käthe-Kollwitz-Oberschule.
„Die Kinder erleben mit allen Sinnen die Natur“, sagt Sandra Schulz, die gemeinsam mit Martin Uhlig und Heike Liebau die Kinder betreut. „Wir wollen nicht beschäftigen, sondern animieren, die Natur selbst zu entdecken.“ Das Lernen komme dann über das spielerische Entdecken, sagt die Erzieherin. So mache man Musik und Rhythmusspiele mit Naturmaterialien und erlerne Abläufe in der Natur. Dass so auch handwerkliche und motorische Fähigkeiten vermittelt werden, ist auch ein Nebenprodukt. „So lange die Kinder nicht Pflanzen beschädigen – da schreiten wir schon ein – können sie alles ausprobieren“, sagt Martin Uhlig. Wie die dreijährige Cosima, die versucht, Eis mit der Säge auseinanderzuhacken. „Nehme mal den Spaten, da geht das besser“, rät ihr Mikaela. Nicht immer muss alles einen Grund haben
Die Waldkinder wirken robust. „Natürlich war die extreme Kälte in den vergangenen Wochen eine besondere Situation“, sagt Sandra Schulz. Die Zeit draußen wurde verkürzt. Doch grundsätzlich lägen die Vorteile des Draußenseins für die Kinder auf der Hand. „Die Kinder sind abgehärtet. Das Spiel in der Natur wirkt bewegungsfördernd, und schließlich erleben die Kleinen Flora und Fauna mit allen Sinnen“, glaubt Tine Frey.
Doch als Waldkindergarten darf sich die Einrichtung noch nicht bezeichnen. „Dafür muss das Waldstück noch sprengmittelbereinigt sein.“ Bis dahin bleiben Mikaela, David und die elf anderen eben „Bergkinder“ – ihren Spaß im Wald kann ihnen kein Amt nehmen: „Hier können wir immer Quatsch machen“, strahlt David, ehe er sich weiter an den Bau der Piratenhöhle macht. Kay Grimmer
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