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Plattbodenschiffer Andreas Linke mit seiner Tochter Jona.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Plattbodenschiffer aus Überzeugung: Vom Kindheitstraum zum Lebensmodell

Der Potsdamer Restaurator Andreas Linke ist überzeugter Plattbodenschiff-Segler, dabei ist die schwimmende Antiquität weit mehr als nur ein Zeitvertreib – sondern eine Lebensphilosophie.

Von Alicia Rust

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An ein Leben ohne Wasser könne er sich gar nicht erinnern, sagt Andreas Linke. Aufgewachsen ist der Ur-Potsdamer in der Berliner Straße am Tiefen See. „Seitdem ich schwimmen konnte, war ich immer im oder auf dem Wasser“, sagt der 57-jährige Restaurator.

Heute ist er Besitzer eines Plattbodenschiffs, ein Schiff historischer Bauart aus den Niederlanden. Ursprünglich für den Lastentransport in flachen Gewässern gebaut, zeichnet sich das Schiff durch seine besondere Optik aus: ein breiter Bootskörper mit beweglichen Holzblättern an der Seite zum Geradeaus fahren - den sogenannten Seitenschwertern - und einem Segel, das an einer Stange am Mast hochgezogen wird - die sogenannte Gaffeltakelung. Gekauft hat der Potsdamer das Boot in den Niederlanden.

Genau hier, wo ich bin, will ich sein.

Andreas Linke, Plattbodenschiffer

Andreas Linke setzt sich dafür ein, Plattbodenschiffe, die er für die guten Segeleigenschaften und den Komfort schätzt, auch hierzulande bekannter zu machen. An diesem Wochenende (26./27.8.) trifft er sich mit anderen Plattbodenschiff-Enthusiasten zum sechsten Plattbodentreffen in Potsdam.

Als kleiner Junge diente ihm einst ein ausgedienter Trekker-Reifenschlauch mit einer Plastik-Kinderbadewanne in der Mitte als Boot. Irgendwie hatte er es sogar geschafft, ein kleines Segel an der ungewöhnlichen Konstruktion anzubringen. Das hatte er aus einem Laken geschnitten.

Die kommenden Jahrzehnte verbrachte er jede freie Minute im Ruderverein. „Dort konnten wir auch segeln“, sagt Linke. Segeln sei von Anfang an sein Ding gewesen. Bis aus seiner Leidenschaft ein Lebensentwurf wurde, sollten noch Jahre vergehen. Dazwischen liegt die Wiedervereinigung, eine Scheidung, die Geburt seiner Tochter. Auch das kleine Mädchen teile die Liebe zum Wasser.

Linke sitzt barfuß auf seinem Kahn und wirkt wie jemand, der im Reinen mit sich ist. Nicht viel mehr und nicht weniger, als die Planken unter seinen Füßen brauche er zum Leben, sagt er. Er sehe keinen Grund, um nach Höherem zu streben. „Genau hier, wo ich bin, will ich sein“, sagt der gelernte Schreiner.

Glückliche Fügung

Für Linke gibt es ein Davor und danach. Zwanzig Jahre war er verheiratet, lebte an Land, das Wasser musste bis zum Wochenende warten. Ein bürgerliches Leben, mit einem festen Boden unter den Füßen. Erst nach der Trennung war er frei, um zu überlegen, wie will ich leben? „Durch eine glückliche Fügung erhielt ich vor 15 Jahren eine Anfrage aus dem Rheinland“, sagt der Potsdamer. Ob er Lust habe, für vier Wochen übers Jahr verteilt, als Segellehrer für drei rheinische Segelschulen in Holland zu arbeiten. Über Ostern, Pfingsten und im Sommer. Drei Segelvereine mit Plattbodenschiffen.

Erstmals konnte ich beides verwirklichen, auf einem Schiff leben und gleichzeitig wieder segeln.

Andreas Linke, Restaurator und Plattbodenschiffer

„Falken“, sagt Linke. „Schöne Schiffe, gaffelgetakelt, wie unsere Schiffe.“ Mit „unseren Schiffen“ meint Linke die Plattbodenschiffe aus Potsdam und Berlin. „Ich verbrachte Zeit auf dem IJsselmeer, lernte den Schiffstyp Lemsteraak besser kennen, schöne Plattbodenschiffe, die nach ihrem Entstehungsort Lemmer benannt sind. So ein Schiff wollte ich auch“, sagt Linke. Angesichts seiner finanziellen Lage kaum mehr, als ein frommer Wunsch.

Trennung als Chance

Vor rund acht Jahren kaufte er ein zwanzig Meter langes Hausboot in Holland. Als es nach Potsdam kam und Linke mit seiner damaligen Lebensgefährtin einzog, bemerkten die beiden, wie viel Arbeit auf sie zukam. „So ein Schiff ist anstrengend, ständig muss man gegen den Rost ankämpfen“, sagt Linke. Das Hausboot aus den fünfziger Jahren wurde wieder verkauft. Der Erlös und die Trennung waren der Startschuss für den Erwerb seiner Lemsteraak. „Nun konnte ich erstmals beides verwirklichen“, sagt Linke. „Auf einem Schiff leben und gleichzeitig wieder segeln.“

Mit Tochter Jona unterwegs auf dem Wasser.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Zehn Meter misst die „Zeehond“ der Länge nach, vier Meter ist sie breit. Mit einem Rumpf aus Stahl, das Kajütdach und die Pflicht sind mit Teakholz gedeckt. Die Lemsteraak, Jahrgang 73, hat eine besondere Geschichte. Eine Spezialanfertigung nach den Vorstellungen des Jan van Rood, einem Medizinprofessor aus Holland, der das Verfahren von Blutspenden für Organtransfusionen bahnbrechend vorangebracht hat. „Von Rood war leidenschaftlicher Segler und hat seine Vorlesungen für die Studenten auf diesem Boot abgehalten“, sagt Linke.

Die Großzügigkeit des Schiffs hat ihn überzeugt. Nach und nach macht sich Linke an den Innenausbau des Kahns, auf dem er das gesamte Jahr gelebt. Einen festen Wohnsitz hat er schon lange nicht mehr. Das Schiff ist mit selbst restaurierten Möbeln bestückt.

Wie ist die Reaktion von anderen Menschen auf sein Lebensmodell? Er bekomme viel Zuspruch für seine Lebensform. „Die zweite Frage gilt dann immer der kalten Jahreszeit“, sagt Linke und deutet auf den Schiffsofen im Bauch des gemütlichen Wohn und Ess-Salons, der rund 15 Quadratmeter misst. „Ich antworte dann: Ich hab’s gern schön warm!“

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