Landeshauptstadt: Platter Frauenfänger
Am 1. November startet die erste deutsche Telenovela „Bianca“. Medienwissenschaftlerin Dr. Elizabeth Prommer von der Filmhochschule Potsdam erklärt wie das neue, in Potsdam produzierte TV-Format bei der Identitätssuche helfen kann
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Am 1. November startet die erste deutsche Telenovela „Bianca“. Medienwissenschaftlerin Dr. Elizabeth Prommer von der Filmhochschule Potsdam erklärt wie das neue, in Potsdam produzierte TV-Format bei der Identitätssuche helfen kann Frau Prommer, werden Sie am 1. November um 16.15 Uhr, wenn im ZDF „Bianca-Wege zum Glück“ zum ersten Mal auf Sendung geht, vor dem Fernseher sitzen? Das wird wohl kaum möglich sein. Dann arbeite ich noch. Obwohl ich mir den Start gerne ansehen würde. Vielleicht werde ich die Sendung aufzeichnen, auf jeden Fall werde ich in der nächsten Zeit mal reingucken. So wie ich die Dschungelserie ansehe oder Sitcoms wie „Sex in the City“. Allein schon aus beruflichem Interesse. Frauen sollen mit der Reihe besonders angesprochen werden. Aber keine berufstätigen, die fallen ja schon wegen der zeitlichen Platzierung raus. Überhaupt ist die Sendezeit fraglich. Bei uns zuhause wird, wie in vielen anderen Familien auch, der Fernseher nicht vor 18.30 Uhr angeschaltet. In Südamerika und Spanien sind Telenovelas seit den 70er Jahren ein Straßenfeger. Was macht ihren Erfolg aus? Sie drehen sich um eine Liebe, eine schöne Frau verliebt sich in einen schönen, reichen Mann. Sie sind klar strukturiert, alles konzentriert sich auf die Love-Story, keine Parallel-Geschichten. Nach wenigen Fernsehminuten weiß man, wer in dem märchenhaften Spiel die böse Hexe ist, die der „Prinzessin“ Steine in den Weg legt. Anders als bei never-ending-soaps ist bei „Bianca“ nach 200 Folgen Schluss. Hört sich nach platter Geschichte an. Ja, stimmt, die Geschichte einer Telenovela ist generell platt, aber die Menschen mögen das. Genauso wie sie Arztromane mögen, sie konsumieren gerne simpel gestrickte Liebesgeschichten mit Happy End. Frauen – und auch Männer. Ich übrigens auch. Das heißt „Bianca“ ist keine Verblödungs- Billig-Serie, sondern sehenswerte Unterhaltung? „Bianca“ ist mit 42 Drehminuten täglich super billig produziert und sicher alles andere als eine qualitativ hochwertige Sendung. Und unter solchen Drehbedingungen kann man sicher keine niveauvollen Dialoge erwarten. Aber Bianca kann durchaus positive Effekte haben. Viele junge Mädchen gucken sich solche Serien an. Sie setzen sich mit den Geschichten auseinander, überlegen wie sie sein oder lieber nicht sein wollen. Aber vor allem reden sie mit ihren Freundinnen darüber, ob es okay ist, wie sich A verhält, dass sie nie mit B befreundet sein könnten und C unglaublich süß finden. Damit sind die Soaps oder eben die Telenovelas eine gute Schablone für die eigene Identität. „Bianca“ als Identitätsfindungs-Helfer? So kann man das sagen. Wobei der Film nur Auslöser ist. Entscheidend sind die Gespräche der Kids danach. Das dabei mit Klischees gearbeitet wird, ist egal? Klischees sind Raster für die Rezeption des Zuschauers. Wir reden hier aber über ungelegte Eier. Um das beurteilen zu können, muss man den Film gesehen haben. Doch sicher, der Mann ist in der Geschichte der Chef, der Karrieretyp, die Frau, die Liebessucherin. Die Geschlechterrollen sind klar verteilt. Und sicher haben solche Klischees auch subtile Wirkung, sie verstärken Stimmungen. In den Feuilletons ist gerade die langweilige Niveaulosigkeit des deutschen Fernsehens Thema. Stimmt, es ist furchtbar, was momentan über deutsche Bildschirme läuft.Sitcoms, Dschungel-TV, Real-Live-Formate, Shows, und das meiste ziemlich einfallslos. Zum Verzweifeln, mein Konsum an 9-Euro-DVDs ist rapide gestiegen. Aber der Markt wird das regulieren. Das Interesse an solchen Sendungen ist enorm abgeflacht. Sie werden sich auslaufen, in eine paar Jahren vielleicht wird es sie nicht mehr geben. Sie sehen das sehr locker. Aber wie lässt sich das mit den idealistischen Ansprüchen der Filmhochschule vereinbaren, die auf Gesellschaftskritik setzt, auf Inhalt und Qualität? Die jungen Filmemacher sind da zweifellos einem Spagat ausgesetzt zwischen anspruchsvollem und erfolgreichem Fernsehen. Dabei ist es nicht unbedingt der Preis, der zählt. Es gibt Beispiele dafür, dass sich auch mit weniger Geld gute Filme machen lassen. Also gibt es auch Lichtblicke am deutschen Fernsehhimmel? Die Medienlandschaft ist im Wandel. Die Sender suchen nach Neuem. Interessant sind die Misch-Genres, die halb fiktional und halb dokumentarisch erzählten Geschichten. Sie haben eine neue Ästhetik, verbinden inhaltlichen und formalen Anspruch. Auch in den USA haben sich im Bezahlfernsehen einige spannende Formate wie „Monk“ entwickelt, die einfühlsam, unterhaltend und ungewöhnlich erzählen, allerdings lassen sich die Sender solche Produktionen auch etwas kosten. Seit Jahren schon schicken deutsche Privatsender spanische Telenovelas auf Sendung. Die waren allerdings eher ein Flop. Das sind Geschichten aus einem ganz anderen Kulturkreis, einer katholisch geprägten Gesellschaft, in der zum Beispiel nackte Busen ein absolutes Tabu sind. Deutsche Fernsehzuschauer wollen deutsche Geschichten, mit deutschen Problemen. So wie bei „Bianca“. Das Gespräch führte Marion Hartig Dr. Elizabeth Prommer ist Medienwissenschaftlerin an der „Konrad-Wolf-Filmhochschule in Babelsberg. Sie wurde 1965 in Kalifornien geboren, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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