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Idyllisch am Wasser. Das Schloss Marquardt wird derzeit nach und nach restauriert, kann aber trotzdem für Hochzeiten und andere Feiern sowie für Filmaufnahmen gemietet werden. Der Park drumherum lädt zum Flanieren ein, wie auch schon Theodor Fontane feststellte.

©  Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Plötzen fangen, durch den Schlosspark wandeln und Grilletta essen

Schon Fontane wusste: Marquardts Schlosspark liegt sehr romantisch. Auch heute ist die Gegend beliebt, zumindest bei den Anglern

Stand:

Ein Schubverband fährt im gleißenden Sonnenlicht durch den Sacrow-Paretzer Kanal. Soeben hat das Schiff die stählerne Eisenbahnbrücke bei Marquardt passiert, bald wird es in den Schlänitzsee einfahren. Am Nordufer des Kanals steht derweil der zehnjährige Quintus Jannsen und hält seine Angel ins Wasser. Durch seine große Sonnenbrille hindurch schaut der Junge gebannt auf die Stelle, an der die Sehne seiner Angel in das Wasser eintaucht. Der Schubverband, der geschätzte 15 Meter von Quintus entfernt durch den Kanal rauscht, scheint den passionierten Nachwuchsangler nicht großartig zu interessieren. Doch quasi von einer Sekunde zur anderen muss der Zehnjährige mehr als nur beiläufig Notiz nehmen von diesem Frachtschiff. Dessen Bugwelle hat nämlich soeben die Wasseroberfläche kräftig in Bewegung versetzt. Als die Welle auf das Ufer trifft, wird der faltbare Anglerstuhl, der hinter dem Jungen steht, vom Wasser umspült. Zwei Plastikeimer, die eben noch daneben standen, schwimmen nun im Kanal.

Doch auch jetzt keine Spur von Aufregung. Gemeinsam mit seinem Vater holt der Junge die Eimer wieder an Land. Seit zweieinhalb Stunden angeln die beiden hier schon, so schätzt der Vater Sven Jannsen. Eigentlich angelt nur einer von ihnen, nämlich Quintus. Und das mit Leidenschaft. Der Vater macht keinen Hehl daraus, dass er nur seinem Sohn zuliebe hierhergekommen ist. Sozusagen als Assistent. Und als Fahrer. Denn beide wohnen nicht in Marquardt, sondern in Fahrland. Doch der Dialekt des Vaters verrät, dass auch Fahrland nicht die ursprüngliche Heimat, jedenfalls nicht die von Sven Jannsen, ist. Er stamme von der Norddeutschen Küste, aus Friesland, sagt Jannsen.

Für die Jannsens heißt es also hier im Norden der brandenburgischen Landeshauptstadt: Havelwasser statt Wattenmeer, Plötze statt Kabeljau. Der Sacrow-Paretzer Kanal in Marquardt scheint bei Anglern insgesamt recht beliebt zu sein. „Am Wochenende ist da manchmal alle zehn Meter ein Angler“, sagt Josef Grütter. Der Ruheständler wohnt in der Marquardter Hauptstraße, nicht weit entfernt vom Schlosspark. Im Ort ist Grütter bekannt als Sprecher der Bürgerinitiative „Freileitung raus!“, mit der er dafür kämpft, dass die Hochspannungsleitung, die in luftigen Höhen mitten durch Marquardt führt, so schnell wie möglich aus dem Ort verschwindet.

Vor Grütters Grundstück, auf dem er für sich und seine Frau ein – wie er es selbst nennt – privates Kunsthaus errichten ließ, weist ein Miniaturstrommast auf die Mission des Marquardters hin: „Hilfe! Ich will hier weg! Hilfe!“ steht auf dem Mini-Mast geschrieben.

Doch Grütter, Ingenieur im Ruhestand, befasst sich nicht nur mit elektrischen Feldstärken und magnetischer Flussdichte, um auch argumentativ gut gewappnet zu sein im Kampf gegen die spannungsreichen Kabel über den Dächern – nein, der Marquardter lässt gern immer wieder seiner kreativen Seite freien Lauf. Hier im Kunsthaus sind neben den Gemälden seiner Frau auch Holzarbeiten von ihm zu sehen.

„Momentan mache ich solche Fantasie-Tiere“, sagt der Hobby-Künstler und zeigt dabei auf eine Holzskulptur, die an der Wand in seinem privaten Kunsthaus steht. „Gartenschlange“ nennt er die Figur, die inklusive Fuß ungefähr 1,70 Meter groß ist und an ein waagerecht gekipptes „V“ erinnert. Zu seinen tierischen Schöpfungen erfindet Grütter zuweilen auch Geschichten, so etwas wie Mythen zur Herkunft seiner skulpturalen Tiere.

Nicht in das Reich der Mythen gehört hingegen, dass der märkische Großschriftsteller Theodor Fontane (1819-1898) einst das Dorf am Schlänitzsee besuchte. Nachzulesen – natürlich – im Band „Havelland“ seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ (1862-1889). Besonders angetan hatte es ihm dabei der Schlosspark, den er nicht zuletzt wegen der Lage am Wasser als prächtig bezeichnete. 1823 wurde er nach einer eigenhändigen Planskizze von Landschaftsgärtner Peter Joseph Lenné gestaltet. Und in der Tat, auch heute, an diesem Nachmittag im Oktober des Jahres 2013, an dem ein paar Hundert Meter weiter am Sacrow-Paretzer Kanal der zehnjährige Quintus Jannsen in der Herbstsonne Plötzen aus dem Wasser angelt, liegt der sanft aufsteigende Schlosspark romantisch am Ufer des Sees, die Wasseroberfläche glitzert in der Sonne.

Unweit vom Eingang des Schlossparks, im Landgasthof Zum Alten Krug, bereitet zur selben Zeit Gastwirt Michael Schulze eine Party vor. Eine Feier, mit der an alte Zeiten erinnert werden soll. Ganz unpolitisch, nur zum Spaß, wie Schulze versichert. Es ist eine „Ossi“-Party, die hier steigen soll. Ein Bildnis Lenins hängt bereits am Schornstein über dem offenen Kamin und Erich Honecker schaut aus seinem Bilderrahmen über dem Tresen direkt in den Gastraum. DDR-Fahnen komplettieren das Bild.

Und die extra angefertigte Speisekarte lässt alte DDR-Gaststättenerinnerungen wach werden: Würzfleisch, Jägerschnitzel sowie Grilletta sind im Angebot. Sogar ein Rinderfilet mit Steinpilzen steht auf der Karte. Doch dieses feine Gericht wird es zur Party nicht geben. Da wird noch der Aufdruck „ham wa nich“ draufgestempelt, verrät Schulze schon einmal. Ach, und was war eigentlich die Grilletta gleich noch mal? Das sei der Hamburger des Ostens gewesen. Ach ja, na klar!

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