
© Dirk Laessig
Homepage: „Plötzlich kam ein Brodeln auf“
HPI-Promovendin Anja Bog über Marktlücken, die Zusammenarbeit mit Hasso Plattner und Silicon Valley
Stand:
Frau Bog, Gratulation! Sie kommen gerade aus der mündlichen Verteidigung Ihrer Promotion: Magna cum laude, besser kann man nicht abschließen.
Ich bin völlig überwältigt. Es wird sicher noch ein wenig dauern, bis ich überhaupt realisiert habe, was dieses Ergebnis bedeutet. Ich habe eine ziemlich lange Zeit darauf hingearbeitet. Als ich das Thema gefunden und mich daran festgebissen hatte, dauerte es immerhin noch drei Jahre.
Das gute Ergebnis kam für Sie aber nicht völlig überraschend.
Während der Arbeit gab es viele Diskussionen mit der Forschungs-Community. Das Brodeln, das plötzlich unter den Experten aufkam, gab mir das Gefühl, dass es ein sehr relevantes Thema ist, an dem ich arbeite.
Sie haben sich mit dem Leistungsvergleich von Datenbanken befasst. Was ist der springende Punkt an Ihrem Ansatz?
Unternehmen sind heute in einer Umbruchsituation, dadurch dass die Hardware sich extrem weiterentwickelt hat. Durch die veränderten Arbeitsbedingungen in den Firmen kommen neue Ideen auf, wie man Systeme anders gestalten kann. Das muss evaluiert und verglichen werden. In diesem Bereich habe ich einen Benchmark, also ein Vergleichsmedium, entwickelt, um solche neuen Systeme zu testen.
Was ist neu für die Unternehmen?
Bisher waren Datenbanksysteme in Unternehmen je nach Anwendungsszenario getrennte Einheiten, die parallel genutzt werden mussten. Durch diese Trennung gab es diverse Nachteile. Die Zusammenführung durch die neue, am HPI mitentwickelte In-Memory-Technologie, schafft nun Vorteile. Eine Datenbank kann nun mehrere Anwendungsszenarien abdecken. Mein Vergleichsmodul ist dazu gedacht, diese Systeme in Laborbedingungen durchzumessen. Es ist nahezu unmöglich, solche komplexen Systeme in einem Unternehmen zu testen. Deswegen brauchen wir Methoden, die das reale Verhalten simulieren.
Gibt es Interesse in der IT-Fachwelt dafür?
Das Interesse ist sehr groß. Die Methode basiert auf den aktuellen produktiven Systemen und spiegelt das Verhalten sehr realistisch wider. Bisher war das eher stilisiert und vereinfacht dargestellt worden. Hinzu kommt, dass mit der Methode auch die neuen Systeme gemessen werden können.
Wie sind Sie auf die Idee dafür gekommen?
Als sich die neuen Datenbanksysteme ankündigten, habe ich gesehen, dass es noch keine Methode zum Vergleich dieser Entwicklungen gibt. Es geht um alte Systeme in neuen Kontexten - so entstehen ganz neue Kombinationsmöglichkeiten. Hier habe ich eine Lücke gesehen.
Dann sind Sie mit Ihrer Idee zu HPI-Stifter Hasso Plattner gegangen, und er war sofort begeistert?
Das war ein längerer Prozess. Das hat sich in mehreren Diskussionen ergeben, nicht nur mit Professor Plattner sondern auch mit anderen Kollegen und Fachleuten. Solche Ideen werden immer auch kritisch hinterfragt.
Sie arbeiten seit 2006 an der Idee?
Ich war sechs Jahre am Lehrstuhl „Enterprise Platform and Integration Concepts“ von Professor Plattner beschäftigt. Neben meiner Promotion habe ich noch viele andere Dinge gemacht, Projekte mit Studierenden und Lehre. Wir haben auch Prototypen für unsere Projektpartner erstellt, um zu zeigen, dass wir nicht träumen.
Die In-Memory-Technologie revolutioniert die Welt der Unternehmenssoftware. Prozesse, die bisher Tage und Wochen in Anspruch nahmen, sind nun in wenigen Sekunden zu bewältigen. Haben Sie einen Anteil an dieser technischen Revolution?
Ich denke schon. Wir sind ein Team von Forschern, die alle ihren Teil dazu beigetragen haben. Jeder hat eigene Ideen eingebracht und andere Vorstellungen kritisch hinterfragt. Man kann sagen, dass das Potsdamer HPI ein wesentlicher Treiber dieser Revolution ist.
Ihr Doktorvater ist SAP-Mitbegründer und HPI-Stifter Hasso Plattner. Empfanden Sie das als ein Privileg?
Ich fand es einfach toll mit einer Persönlichkeit wie ihm zusammenarbeiten zu können. Es ist eine Herausforderung mit einer so starken Persönlichkeit wie Professor Plattner zu kooperieren. Er hat seine eigene Meinung zu den Dingen.
Sie meinen, dass er nicht zu allem Ja und Amen sagt?
So ist es. Wenn man ihn dann durch Argumente von einer Sache überzeugen kann, ist das wie ein kleiner Gewinn. Es war eine ganz außergewöhnliche Erfahrung mit ihm zusammenarbeiten zu können. Er hat immer neue Ideen, neue kritische Fragen, das stachelt einen an. Man verliert bei ihm nie die Lust, am Thema weiterzuarbeiten. Es war eine sehr konstruktive Atmosphäre, ein sehr dynamisches Miteinander.
Sie sind nun die dritte Doktorin, die das HPI verlässt. Softwaresystemtechnik ist nicht gerade eine typische Frauen-Domäne. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich habe schon immer gerne mit Computern gearbeitet. Als Heranwachsende konnte ich mich bereits am eigenen Computer ausprobieren. Am Anfang ging es natürlich um Spiele, später auch um andere Anwendungen. Damals kam das Internet gerade erst auf. Ich habe mir dann überlegt, dass gerade diese Branche sehr zukunftsträchtig ist und die meisten Berufschancen für mich haben wird. Da es mich interessiert hat, habe ich mir dann gedacht, dass ich das einfach machen sollte.
Eine gewisse Affinität zur Mathematik gehört aber dazu?
Das stimmt. In der Schule hatte ich bereits ein größeres Interesse für die Naturwissenschaften. Meine Eltern haben mich aber nie in irgendeine Richtung gedrängt, ich habe mir meinen Weg selbst gesucht.
Das Studium wird Ihnen dann auch nicht weiter schwer gefallen sein?
Nicht wirklich. Aber die Anforderungen am HPI sind schon sehr hoch. Die Anfangssemester hatten es ziemlich in sich. Jedes Semester war wie ein kleines Abitur, vom Gefühl und dem Umfang des Materials her, welches man für die Prüfungen benötigte. Aber wie sagt man so schön: Man wächst mit seinen Aufgaben.
Sie bleiben bei der In-Memory-Data-Entwicklung?
Ganz sicher, das ist eine Sache, die mich sehr interessiert. Dieser neue Umgang mit Unternehmensdaten, welche nun primär im Hauptspeicher abgelegt sind und ganz andere Algorithmen zur Datenablage nutzen, wird sich noch weiterentwickeln. Denn er lässt wesentlich komplexere Aufgaben in wesentlich kürzerer Zeit zu. Das ist sehr spannend. Es ist auch schön, die Reaktion der Unternehmen zu sehen, wenn sie das Verfahren mit ihren eignen Daten an Prototypen durchlaufen lassen. Die Überraschung ist dann immer sehr groß.
Sie haben bereits ein lukratives Job-Angebot. Verraten Sie uns mehr dazu?
Ich werde zusammen mit dem Unternehmen SAP an meinem Thema weiterarbeiten - und zwar hart an der Kante der Forschung. Dazu werde ich zusammen mit meinem Verlobten - auch ein HPI-Student - nach Palo Alto ins Silicon Valley gehen. Das ist für mich ein schöner Schritt, noch einmal herauszukommen. Ich will noch nicht einstauben.
Expertise aus Potsdam ist also im Silicon Valley gefragt?
Sicherlich. Wir waren mit der SAP zusammen die Ersten, die in Richtung Verwaltung von Unternehmensdaten im Hauptspeicher gedacht haben. Ziel war die Verbindung der Operationalen mit dem Strategischen System. Viele haben gesagt, dass unsere Ideen unrealistisch sind. Doch nach und nach haben wir uns da hineingearbeitet, und siehe da, wir haben es geschafft. Jetzt kommt die Sache weltweit in Schwung.
Sie stammen aus Weißenfels und haben in Potsdam studiert. War das ihre erste Begegnung mit der Stadt?
Nein. Meine Mutter hat hier in Potsdam an der Universität Biologie und Chemie auf Lehramt studiert, als sie mit mir schwanger war. Insofern war schon einmal hier, als ich noch ganz klein war.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
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