Von Ralph Sommer: „Plüschäppel“ für die Insel-Brennerei
Nördlichste Pfirsich-Plantage in der Uckermark beliefert auch Hofbrennerei auf der Insel Rügen
Stand:
Mescherin - Vorsichtig steigt Peter Höppner auf die Trittleiter und schiebt den schwer behangenen Ast beseitige. Dann dreht er einen Pfirsich nach dem anderen von den Zweigen des zehnjährigen Bäumchens. Mehr als ein Dutzend Eimer füllen sich, dann geht es zum nächsten Baum. Auf Deutschlands nördlichster Pfirsichplantage im Odertal bei Mescherin (Uckermark) werden derzeit die Pfirsiche geerntet.
Die Früchte von mehr als 100 Bäume muss Höppner in den nächsten Tagen gemeinsam mit Freunden und Familie pflücken. Die Ausbeute sei gut, aber kaum halb so ergiebig wie im Supersommer 2009, sagt der 66-Jährige. Damals holten die Helfer 1,8 Tonnen reife Pfirsiche von den Bäumen. Nach dem heißen und trockenen Juli und dem verregneten August werden es diesmal wohl nur um die 850 Kilogramm sein. Höppner ist trotzdem zufrieden. Seine Früchte seien vielleicht nicht ganz so fotogen wie das Obst, das in den Supermärkten angeboten werde. „Aber dafür haben sie ein einzigartiges Aroma“, schwärmt der 66-Jährige. Nicht nur Einheimische schätzten die saftigen Pfirsiche aus dem Odertal. Geliefert werde auch an größere Abnehmer. Neben der 1. Dresdener Spezialitäten Brennerei geht ein Großteil der Ernte in diesem Spätsommer an die Hofbrennerei Strandburg auf der Insel Rügen. Inhaber Thomas Kliesow, der für seine Obstbrände und Liköre nur einheimisches Obst verwendet, schwört auf die reifen „Plüschäppel“ aus Mescherin: „Gemischt mit dem Nektar von frisch geerntetem Rügener Sanddorn brennen wir demnächst auf dem Mönchgut einen ganz speziellen Pfirsich-Kööm!“ Pfirsiche wachsen in Mescherin schon seit Jahrzehnten. „Man munkelt im Dorf, dass einst ein Soldat nach dem Ersten Weltkrieg die ersten Pfirsichsteine aus Frankreich an die Oder gebracht haben soll“, erzählt Höppner. Andererseits gebe es historische Belege dafür, dass schon die Zisterzienser-Mönche in ihrem Klostergarten Kolbatz, südöstlich von Stettin, im 16. Jahrhundert etwa 140 Pfirsich- und Aprikosenbäume hatten. Das Klima des drei Kilometer breiten Odertals, dessen Hänge kalte Nord- und Westwinde abhielten und die Aprilblüte vor dem Erfrieren schützten, eigne sich gut für den Anbau von Südfrüchten, sagt der Mescheriner „Pfirsich-Papst“.
Höppner begann schon zu DDR-Zeiten damit, in seinem weiträumigen Garten Pfirsichbäumchen aus Steinen zu ziehen. Die etwa 0,5 Hektar große Plantage warf alljährlich so viel ab, dass mehr als 150 Stammkunden die seinerzeit besonders begehrten Früchte bezogen. „Oft hatten wir schon die Ernte des nächsten Jahres verkauft“, erinnert sich Höppner. Im Rekordjahr 1984 gaben die Bäumchen 2,4 Tonnen Früchte ab. „Erst als die Wende und die Westmark kamen und es 1990 wieder einen Pfirsichsommer gab, blieb ich auf einem Teil der Ernte sitzen.“ Heute würden die Früchte wegen ihres besonderen Aromas geschätzt. Die Laufkundschaft verarbeite sie vor allem gern zu Kompott und leckeren Gelees.
Ralph Sommer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: