Landeshauptstadt: Polizei im Klassenraum
Gewalt, Drogen und das Verhalten gegenüber Fremden sind die Themen der Polizeiprävention
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Justus zögert. Der Zweitklässler der Zeppelin-Grundschule in Potsdam-West will nicht unhöflich sein, aber seine Unsicherheit gegenüber der Frau ist ihm deutlich anzumerken. „Weißt Du, wo die Haeckelstraße ist?“ fragt diese. „Komm mal ans Auto ran und zeige sie mir auf meiner Karte“, bittet sie den Jungen. Doch bei der Frage „Kannst Du mir den Weg nicht zeigen, komm steige ein“, schüttelt Justus vehement den Kopf. Dafür bekommt er Beifall von seinen Klassenkameraden. Das ganze war nur ein Rollenspiel, mit dem die Potsdamer Polizei die Grundschüler richtiges Verhalten trainieren will.
„Für Kinder sind Situationen wie diese nicht einfach zu bewältigen“, weiß Renate Michael. Sie ist die Leiterin des Sachbereichs Prävention im Schutzbereich Potsdam und führt mit ihren zehn Mitarbeitern Präventionskurse in Schulen und der Polizeilichen Beratungsstelle durch. Neben der Verkehrsschulung, die traditionell großen Raum einnimmt, trat zuletzt die Kriminalitätsprävention immer stärker in den Vordergrund. Das Verhalten gegenüber Fremden steht besonders bei Grundschülern im Mittelpunkt, ältere Jahrgänge werden in der Gewalt- und Drogenprävention geschult.
Die Zweitklässler der Zeppelin-Grundschule machen begeistert mit bei den kleinen Rollenspielen der zwei Beamten Obermeisterin Cathrin Lebedeff und Hauptmeisterin Ilona Bergmann. Man darf staunen wie viel die Knirpse schon wissen – zumindest im Klassenzimmer. „Anders ist die Situation draußen, wenn sie auf solche Begegnungen nicht vorbereitet sind“, weiß Bergmann. Ihre Kollegin schärft den Schülern ein: „Es ist nicht unhöflich, weiterzugehen. Sagt, sie sollen sich an einen Erwachsenen wenden.“
Das diese Situationen durchaus passieren, zeigt sich an drei Beispielen: Anfang 2007 berichteten Eltern, dass ihre Kinder vor einer Babelsberger Grundschule mehrfach von einem Motorradfahrer angesprochen wurden, der sie einlud, mitzufahren. Auch von einer Grundschule in der Nauener Vorstadt wurde bekannt, dass ein Mann vor dem Schulgelände regelmäßig gesehen worden war und die Kinder beobachtete. Schließlich erzählt ein Zeppelingrundschüler selbst von einem Erlebnis: „Ich wurde einmal von einem Fremden aus dem Auto angesprochen“, erinnert er sich. „Da musste ich tausendmal Nein sagen, ehe der mich in Ruhe gelassen hat.“ Die zwei Polizistinnen gucken sich kurz ernst an – um dann dem Knirps wieder aufmunternd zuzunicken. „Da hast Du richtig gehandelt.“
„Jüngere erreichen wir noch mit präventiver Arbeit, bei älteren Semestern wird das schwierig“, weiß die erfahrene Präventionsleiterin Renate Michael. Dann, wenn es um Drogen- und Gewaltprävention geht, wird mit den Konsequenzen argumentiert, die auf die Jugendlichen zukommen können. „Die meisten ahnen überhaupt nicht, wie lange sie ein einzelnes Vergehen noch verfolgen kann.“ Als Beispiel nennt Michael den Eintrag im Polizeilichen Führungszeugnis beim Drogenkonsum. „Da kann schnell der Führerschein verweigert werden, weil die charakterliche Eignung fehlt.“ Und dass die Laufbahn bei der Polizei scheitere, wenn Gewaltdelikte im Strafregister stehen, sei beim jüngsten Bewerberverfahren einem Potsdamer deutlich geworden.
Insgesamt wurden in Potsdam 2007 fast 850 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren zu Tätern. Zwar gab es einen Rückgang im Vergleich zu 2006, aber, so betonte die Polizei, sei auch die Zahl der Jugendlichen insgesamt zurückgegangen. Die Gewalt an Potsdamer Schulen sei jedoch kein überbordendes Problem, sagt die Polizei. Aber konkrete Zahlen für Delikte an Schulen kann der Schutzbereich nicht vorweisen, denn das wird nicht erfasst. Dafür die Zahl der Veranstaltungen mit Schülern: 28 Drogenpräventionskurse wurden 2007 durchgeführt, über 1000 Schüler wurden erreicht. Noch größer ist die Zahl zur Gewaltprävention: 115 Kurse mit über 3671 Teilnehmern zählte der Schutzbereich Potsdam.
Eine achte Klasse der Friedrich-Wilhelm-von-Steuben-Gesamtschule nutzt das Beratungsangebot der Polizei im Rahmen des LER-Unterrichts. Mit 18 Schülern – darunter auch einigen „schwereren Fällen“, wie sich Gesamtschullehrerin Anita Fröde ausdrückt – wird das Rollenspiel „Der Neue“ durchgearbeitet, eine Geschichte über Jugendgewalt, die nach einem realen Fall konstruiert wurde. Darin übernehmen die Schüler sämtliche Rollen: Angreifer, Opfer, aber auch Richter und Staatsanwalt.
Ziel bei der Arbeit sei vor allem die „Entwaffnung“, erklären die Präventions-Experten. Eindringlich betonen sie in der Veranstaltung mit den Steuben-Gesamtschülern, wie schnell die eigene Waffe gegen einen selbst gerichtet werden kann. „Da reicht schon eine falsche Windrichtung, dass das Pfefferspray in die eigenen Augen gelangt“, so Renate Michael. Ob diese Argumentation ankommt, wird nicht deutlich. Größtenteils verschlossen nehmen sie die Ratschläge auf. Es seien keine Patentrezepte, die die Polizei verteile, „aber Empfehlungen, die wir aus unserer jahrelangen Arbeitserfahrung ziehen“, beschließt Michael die Veranstaltung mit den Steuben-Gesamtschülern. Ob diese sich daran halten, werden auch die nächsten Polizeiberichte zeigen.
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