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Landeshauptstadt: Polizei: Keine türkische Jugend-Gang

Tod von David Fischer: Ermittlungen vor dem Abschluss / Stadt bestreitet, Angehörigen nicht zu helfen

Stand:

Innenstadt - Eine organisierte Gang türkischer und afghanischer Jugendliche habe den Streit eskalieren lassen, der mit einem „heimtückischen“ Messerstich endete und David Fischer das Leben nahm. Diese Problematik werde totgeschwiegen. Zudem habe Oberbürgermeister Jann Jakobs sein Versprechen gebrochen, der Familie des Opfers zu helfen. Es waren solche harschen Vorwürfe, die vor gut zwei Wochen bei der Mahnwache für den im Alter von 20 Jahren getöteten Potsdamer David Fischer öffentlich von seinen Angehörigen und Freunden an Polizei und Stadt gerichtet wurden (PNN berichteten) – welche von den Verantwortlichen jedoch zurückgewiesen werden.

So seien weder im Polizeipräsidium noch im Schutzbereich Potsdam Gruppen bekannt, in denen ausländische Jugendliche regelmäßig kriminelle Handlungen begehen würden, so die jeweiligen Sprecher der beiden Polizeibereiche. „Es gibt in Potsdam keinen besonders hohen Anteil von Gewaltkriminalität durch Ausländer“, sagt Rudi Sonntag vom Polizeipräsidium. Seine Kollegin vom Schutzbereich, Doreen Matthes, warnt davor, nun Ausländer zu kriminalisieren: „Natürlich gibt es auch in dieser Gruppe Personen, die Straftaten begehen“, so Matthes. Doch seien diese eben nicht organisiert, sondern „Einzeltäter“.

Auch in der Stadtverwaltung sieht man mit jungen Leuten aus der Türkei kein spezielles Problem. Diese würden vom Jugendamt wie jede andere Gruppe junger Leute behandelt, sagt Stadtsprecherin Rita Haack. Zudem sei die Zahl türkischer Jugendlichen mit 97 in Potsdam sehr gering. 43 davon seien zwischen 15 und 21 Jahren alt, der Rest bis zu 27 Jahre. Selbst Sozialarbeiter, die oft mit Jugendlichen zu tun haben, reagieren skeptisch: „Wenn eine bestimme Gruppe, etwa Türken, besonders häufig auffiele, würden wir wahrscheinlich davon erzählt bekommen“, so Stefan Dorn vom Wildwuchs Streetworkerteam des Diakonischen Werks.

Ebenso wird ein anderer Vorwurf der Angehörigen von David Fischer von der Stadt bestritten: Es sei falsch, dass sich Oberbürgermeister Jann Jakobs nicht um die von ihm zugesagte Auflösung der Wohnung des Opfers gekümmert habe. „Das deutsche Rechtssystem arbeitet sehr genau und deswegen nicht immer schnell“, so Wolfgang Hadlich, Büroleiter von Jakobs. So müsse erst per Nachlassgericht geklärt werden, wer das Eigentum in der Wohnung als Erbe bekomme – ein langwieriger Prozess. Erst danach könne die Stadt wieder aktiv helfen.

Doch auch die Angehörigen selbst haben sich nach der Mahnwache noch einmal geäußert – und sich gegen Vorwürfe gewehrt, sie hätten in den Reden während der Mahnwache vor zwei Wochen ausländerfeindliche Argumente benutzt. „Die Freunde von David wollten auf das Missverhältnis hinweisen, dass dieser Fall in der Öffentlichkeit kaum auf Resonanz und Anteilnahme stößt – im Gegensatz etwa zu Ermyas M.“, sagt Grit Poppe, die Tante des Opfers. Bei der Mahnwache war unter anderem der Spruch „War ja nur ein Deutscher“ großflächig als Plakat verwendet worden. „Das ist die Art der Jugendlichen ihre Wut auszudrücken, weil sie sich von Stadt und Politik allein gelassen fühlen“, erklärt Poppe.

Unterdessen befinden sich die Ermittlungen der Potsdamer Staatsanwaltschaft, laut ihrem Sprecher Benedikt Welfens, vor dem Abschluss. Die Nachforschungen hätten sich in die Länge gezogen, weil der einzige Tatverdächtige, der 18-jährige Afghane Ajmal K., bisher zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen schweige. Gegen ihn wird wegen des Verdachts des Totschlags ermittelt. „Wir müssen deswegen jeden Aspekt des Abends mit möglichst vielen Beweisen belegen können“, so Welfens. Zudem sei der dringende Tatverdacht gegen Ajmal bereits einmal gerichtlich bestätigt worden – für Welfens ein Hinweis für die Stichhaltigkeit der bisherigen Ermittlungen.

Danach habe sich das Tatgeschehen in der Nacht des 17. Juni so zugetragen: In der Kneipe „Quartier“ habe sich kurz vor zwei Uhr ein Streit zwischen David Fischer und seinem Cousin Peter mit zwei türkischen Jugendlichen entsponnen, aber noch nicht mit dem späteren Tatverdächtigen. Dabei habe es erste Rangeleien gegeben. Daraufhin seien die zwei Türken samt ihren Freunden des Hauses verwiesen worden, hätten jedoch von der Straße aus weiter provoziert. David Fischer und seine Freunde seien ihnen auf die Straße gefolgt, wo schließlich der tödliche Messerstich erfolgte. Für die Staatsanwaltschaft steht dabei nach Auswertung der Zeugenaussagen Ajmal K. als alleiniger Täter fest – aus ihrer Sicht habe niemand David Fischer festgehalten, als er erstochen wurde. Dies hatten die Angehörigen des Opfers behauptet. „Wenn er festgehalten worden wäre, würden wir eventuell wegen gemeinschaftlichen Mordes ermitteln“, sagt Welfens.

Noch nicht gefunden sei die Tatwaffe, mit der David Fischer in der Herzgegend mit einem Stich tödlich verletzt wurde. Zudem würden abschließende Gutachten ausstehen. Ausschließen könne man bisher, dass Kokain eine Rolle bei dem Streit gespielt habe, so Welfens. Allerdings seien David Fischer und sein Cousin leicht alkoholisiert gewesen. Dem verdächtigen Ajmal K. habe dagegen kaum bis gar kein Alkohol im Blut mehr nachgewiesen werden können. Der 18-Jährige, der seit 13 Jahren in Deutschland und seit vier Jahren in Potsdam wohnt, hatte sich am Abend nach der Messerstecherei bei der Polizei gemeldet, nach dem bereits nach ihm gefahndet wurde. Ihm drohen, sollte er verurteilt werden, bis zu zehn Jahre Jugendstrafe – oder bis zu lebenslänglich, wenn er nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden sollte. Welfens weiter: „Dies wird das Gericht nach seinem Reifegrad entscheiden, ein Gutachten der Jugendgerichtshilfe wird ihm dabei helfen.“

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