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Landeshauptstadt: Polizei meldet mehr Raddiebstähle – aber auch erste Erfolge Gestohlene Autos, aufgebrochene Wohnungen: Wie Betroffene damit umgehen – und was Ermittler tun

An diesen Morgen muss sich Sebastian Müller noch lange erinnern: Wie immer verließ der 34-jährige Familienvater gegen 7.30 Uhr sein Reihenhaus in Potsdam-West.

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An diesen Morgen muss sich Sebastian Müller noch lange erinnern: Wie immer verließ der 34-jährige Familienvater gegen 7.30 Uhr sein Reihenhaus in Potsdam-West. Doch am Freitag vor zwei Wochen war sein VW Touran plötzlich verschwunden: Leer der Platz, an dem das Auto in einer ruhigen Parallelstrecke der Zeppelinstraße gestanden hatte. „Ich war erstaunlich ruhig und dachte nur, jetzt hat es uns auch ereilt – ich habe schon immer damit gerechnet, dass wir bestohlen werden“, sagt Müller, der aus Sorge vor weiteren Dieben in seiner Straße nicht seinen richtigen Namen in der Zeitung lesen will.

Müller teilt das Schicksal von Hunderten Potsdamern, die jedes Jahr Opfer von Einbrechern oder Dieben werden. Tendenz zuletzt: steigend. 2013 hatte die Polizei in Potsdam so viele Diebstähle registriert wie seit drei Jahren nicht mehr. Auch im ersten Halbjahr 2014 sind die Zahlen gestiegen – allerdings kann die Potsdamer Polizei auch auf erste Erfolge im Kampf gegen Fahrrad- und Autodiebe oder Einbrecher verweisen.

Nach den PNN vorliegenden Daten der Polizei ist die Zahl der Raddiebstähle bis zum 30. Juni noch einmal kräftig gestiegen – 1196 Fälle wurden registriert, vor einem Jahr waren es in der selben Zeit 822. Bereits 2013 waren die Zahlen in dem Bereich um knapp 50 Prozent gestiegen, in einem deutschlandweiten Städteranking landete Potsdam auf einem wenig ruhmvollen Platz sieben. Dagegen sank im ersten Halbjahr 2014 die Zahl der Wohnungseinbrüche auf 99, im Vorjahreszeitraum waren es 121. Ebenso registrierte die Polizei 429 Fälle von Diebstählen aus aufgebrochenen Autos – 96 weniger als noch 2013. Und: Auch die Zahl der gestohlenen Autos ging von 185 auf 125 zurück.

Für Betroffene wie Müller ist das nur ein schwacher Trost. Sie erleben den Einbruch in ihre Wohnung oder den Verlust eines Autos als Einschnitt. „So ein Auto gehört auch zur Privatsphäre – und das ist jetzt alles in fremden Händen“, sagt der Potsdamer. In seinem Touran befanden sich zwei Kindersitze, ein Navigationsgerät, zufällig auch ein paar Sätze hochwertige Trommelstöcke. Nun braucht Müller Zeit. Die Briefe an die Versicherung, das Abmelden des Wagens in der Kfz-Stelle, die Suche nach einem neuen Fahrzeug – all das dauert. „Damit ist man mindestens zwei Arbeitstage beschäftigt.“ Trotz Versicherung, die einen errechneten Wiederbeschaffungswert zahlt, geht Müller von mindestens 2000 bis 3000 Euro Schaden aus, den er nicht ersetzt bekommt. Ein neues Auto hat er noch nicht.

Gut erinnert sich der Bestohlene auch an den Anruf bei der Polizei: „Dort bin ich erst einmal gefragt worden, ob ich nicht vorbeikommen könnte – an dem Tag sei schon so viel passiert.“ Tatsächlich verschwanden in der Nacht neben Müllers VW Touran in Potsdam-West ein weiterer VW Caddy und am Bornstedter Feld ein VW-T5-Transporter. Ermittelt werden müsse laut Polizei noch, ob ein Zusammenhang zwischen den Fällen bestehe. Sebastian Müller hat die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dem Auto schon aufgegeben: Er vermutet den Wagen in Osteuropa, eine Auftragsarbeit, bestimmte Marken zu liefern. In den vergangenen sieben Tagen wurden in Potsdam etwa ein VW Golf in Fahrland, ein Audi in der Waldstadt und ein Toyota wiederum in Potsdam-West gestohlen.

In der Tat stammten 62 Prozent der 2013 beim Auto-Klau in Potsdam gefassten Tatverdächtigen nicht aus Deutschland, wie die Polizeistatistik zeigt. Bei Ermittlern ist von international agierenden Tätergruppen die Rede, hauptsächlich aus Litauen und Polen. Und man kann auf erste Erfolge verweisen. So sagte ein Polizeisprecher, im ersten Halbjahr 2014 habe die Aufklärungsrate bei Autodiebstählen in Potsdam bei 62,4 Prozent gelegen – 2013 lag sie bei nur 27,1 Prozent. Die vom Landesskriminalamt gebildete Sonderermittlungsgruppe „Grenze“ habe mehrere Tätergruppen ermitteln können. Details könne die Polizei wegen laufender Verfahren noch nicht nennen. Auch die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen stieg im ersten Halbjahr 2014 auf 25,3 Prozent – von zuletzt 16,7 Prozent. Dagegen sankt bei den Raddiebstählen die Aufklärungsquote noch einmal von 10,6 auf 7,8 Prozent.

In diesem Bereich will die Polizei nun in die Offensive gehen – etwa mit verstärkten Verkehrskontrollen. Manchmal mit Erfolg: Erst vor wenigen Tagen stoppten Polizisten in der Breiten Straße einen 39 Jahre alten Potsdamer, der Drogen genommen hatte – und auf einem in Berlin gestohlenen Rad saß. Ebenso seien verstärkt Streifen unterwegs – in Uniform, aber auch zivil. In jedem Fall fänden „umfangreiche Spurensicherungen und Umfeldermittlungen“ statt, so der Polizeisprecher.

Das alles hat Sebastian Müller so nicht mitbekommen. Als in seinem Fall die Polizisten erschienen, nahmen sie freundlich die Strafanzeige auf, sahen kurz den leeren Stellplatz an – und gingen wieder. Gehört hat er seitdem nichts mehr. Er würde sich mehr Präsenz der Beamten im Viertel wünschen. „Zumal es in der Gegend zuletzt schon einige Versuche gab, auch andere VWs zu knacken.“ Nach solchen Fällen sei es wünschenswert, Anwohner eines Viertels über Internet oder andere Wege direkt zu informieren, um die Wachsamkeit zu erhöhen. „Und für das nächste Auto werden eine Lenkradkralle und ein versteckter Zündunterbrecher gekauft.“

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