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Landeshauptstadt: Polizeichefs, Rocker und Radler Abschiedsfeier: „Tanke“

Berliner Straße schließt

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Draußen an der Wand zwischen der Motorrad-Werkstatt und dem Biker-Café hängt – mit einer Radkappe im Zentrum – ein steinernes Grabkreuz. An ihm dürfte am Samstagabend so mancher Blick kurz hängen geblieben sein: Es wurde Abschied gefeiert von der vielleicht „bekanntesten Tankstelle Deutschlands“, wie Werner Heuser sie nennt. 15 Jahre lang arbeitete der Zweiradmechaniker-Meister in der denkmalgeschützten Minol-Tankstelle aus den 1930er Jahren – nun ist am 30. November ist Schluss. Die bundeseigene Gesellschaft zur Entwicklung und Sanierung von Altstandorten (Gesa) hat das Gebäude an der Berliner Straße mittlerweile an einen Unternehmer verkauft; Heuser konnte beim Kaufpreis nicht mithalten.

Unter seiner Leitung war das Café mit angeschlossener Werkstatt zu einem Kult-Ort avanciert, für dessen Erhalt sich bis zuletzt prominente Fürsprecher, darunter auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), einsetzten. Dabei ist der Ort weitaus mehr gewesen als ein Biker-Treff: Die Kundschaft kam, nicht nur räumlich, sondern auch sozial und kulturell, von überall her. „Es gab kein Zielpublikum – es waren alle da“, sagt Heidi Rothfuss. Die 49-Jährige zählt zu den Stammgästen. Die friedliche Atmosphäre und das ungezwungene Miteinander seien für ihn das Wichtigste gewesen, so Heuser: „Es war der einzige Ort in Potsdam, wo wirklich alle Gruppen und Schichten hinkamen, sich trafen und miteinander klarkamen.“ Innen hängen alte Harley-Davidson- und Michelin-Metallreklamen neben großen Fotografien von Che Guevara und Hugo Chavez. Altgediente Biker können sich hier genauso wohl fühlen wie links-alternative Studenten; auch Modemacher Wolfgang Joop war schon da. Stammgast Christoph Curdes bestätigt diesen Eindruck: „Familien haben hier ihre Kinder zum Mittag bei ‚Onkel’ Werner abgegeben. Vom Hells Angel bis zum Polizeipräsidenten war wirklich jeder hier.“ Auch der 52-Jährige findet es traurig, dass die Stadt mit der Schließung der alten „Tanke“ wieder etwas „stromlinienförmiger“ werde. „Das Geld hat mal wieder gesiegt“, sagt Curdes.

Richtig mit dem Aus umgehen kann Werner Heuser noch nicht: „Momentan geht es nur darum, alles so schnell wie möglich zu räumen; da kann man parallel nicht schauen, wie es eigentlich weitergeht.“ Er könne sich gar nicht vorstellen, jetzt an einer anderen Stelle einfach so neu anzufangen. „Vielleicht“, sagt er zweifelnd, „reichen 15 Jahre aber einfach auch.“ Ein Einzelereignis aus diesen 15 Jahren, an das Heuser sich besonders zurückerinnert, könne er unmöglich herausgreifen: „Es war chaotisch, aber auch witzig; es gab einfach viele schöne kleine Momente. Es war aber auch hart: Viele haben nur den Sommer gesehen, aber jeden Winter ist der Laden hier finanziell fast verreckt.“

Heuser ist nicht der einzige, den die Schließung schmerzt. „Mir wird dieser Ort hier fehlen“, sagt Christoph Curdes. Die Stammgäste Rothfuss und Curdes sind selbst keine Motorradfahrer: Sie fahren nur Rad, haben ihre Drahtesel aber einfach immer neben die schweren Maschinen gestellt. „Das geht hier halt“, meint Rothfuss. Erik Wenk

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