Landeshauptstadt: Potsdam braucht ein Lapidarium
Im Depot versteckte Meisterwerke der Bildhauerkunst sollen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden
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Respektlos könnte man sie als Sammelsurium bezeichnen, die dem Publikum unzugängliche Skulpturenhalle der Schlösserstiftung. Hier drängen sich Hunderte von Bildwerken, die zwischen der Antike und dem 20. Jahrhundert entstanden sind. Sie wurden als witterungsgeschädigte Originale unter das schützende Dach gebracht, harren ihrer Restaurierung oder sind im Park durch Kopien ersetzt worden. Ständig erhält die Halle neue „Bewohner“, andere verlassen sie wieder, um an ihre ursprünglichen Standorte zurückzukehren oder in Ausstellungen gezeigt zu werden. Die lange Figurenreihe, die die Vorderfront der Neuen Orangerie schmückte, ist bereits restauriert. Sie wartet darauf, dass die Fassade des Schlossbaus fertiggestellt wird, um wieder auf ihre Postamente gestellt zu werden.
Das Skulpturendepot haben die Hallenserin Cornelia Böhme (Aquarelle) und die Potsdamer Bernd Krenkel (Zeichnungen) und Claudia Hoffmann (Fotografien) zu künstlerischer Auseinandersetzung angeregt. Ihre Arbeiten sind noch bis 20. Juli in der Ausstellung „Kunstdepot – Depotkunst“ in den Römischen Bädern zu sehen, die vom Potsdamer Kunstverein unter Andreas Hüneke initiiert wurde. Ein Gang durch die Exposition verband die Stiftung am Mittwochabend mit der einmaligen Öffnung auch der Skulpturenhalle.
Die Kustodin für dieses Gebiet, Saskia Hüneke, begann ihre Führung aber im Freien. Dort sind jetzt die zuvor im Depot abgestellten Teile des „Friedensopfer“ genannten Tympanons zusammengefügt worden, das zum Alten Markt hin den westlichen Seitenflügel des Stadtschlosses schmückte. Es allegorisiert das Aufblühen Preußens nach den ersten beiden schlesische Kriegen. Die Aufstellung ermöglicht Saskia Hüneke weitere kunsthistorische Forschungen, zeigt aber auch, dass die Wiedereingliederung des 1751 entstandenen Meisterwerkes von Johann Gottlieb Heymüller in die Fassade eines Neubaus unabdinglich ist.
Gleiches trifft für die im Skulpturendepot aufbewahrten vielen anderen baukünstlerischen Elemente des Schlosses zu, die vor dem Abriss geborgen wurden. Zudem ist die Halle voll von Bildwerken, die von anderen zerstörten Potsdamer Baudenkmalen stammen, so der Lustgartenmauer, vom Berliner Tor oder von der Alten Post/EckeYorckstraße, die in der DDR-Zeit durch das Reisebürohochhaus ersetzt wurde. Für manche gerettete Skulpturen, so aus Stadtvillen, konnte die Herkunft bisher nicht geklärt werden. Rätsel geben aber auch andere Kunstwerke auf. Unter den rund 2000 Jahre alten Antiken, die Friedrich der Große 1742 aus der Sammlung des Kardinals Polignac erwarb oder 1758 aus dem Nachlass seiner Schwester Wilhelmine erbte, befindet sich beispielsweise ein marmorner Apollon. Merkwürdigerweise führt er einen auf dem Rücken gefesselten Knaben mit sich, wozu in der griechischen Mythologie kein Hinweis zu finden ist.
Die Bewahrung und Restaurierung der Kunstwerke, die Aufstellung von Kopien in den Welterbeparken, die Forschungen zu Herkunft und Sinngehalt werden eine immerwährende Aufgabe bleiben, erklärte Saskia Hüneke. Außerordentlich wichtig sei, die auf den Schutz des Depots angewiesenen Schätze der Bildhauerkunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu brauche Potsdam den Bau eines Lapidariums.
Erhart Hohenstein
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